Das stille Gold der alten Dame
Finger.
„Sie können sich nicht vorstellen, wie
ich lebe. Mein Mann ist eine Bestie, ein Ungeheuer. Er gibt mir keinen Sou... keinen
Sou... Und als Célestin unser... äh...“
„...intimes Verhältnis...“, half ich
ihr auf die Sprünge.
Sie senkte den Blick.
„...ausgenutzt hatte, um meinen
Schmuck zu stehlen, war mein einziger Wunsch, den Schmuck so schnell wie
möglich zurückzukriegen, bevor mein Mann wieder nach Paris kam. Anzeige
erstatten konnte ich nicht. Wenn die Polizei den Schmuck wiederbesorgt hätte,
hätte sie ihn genau geprüft. Alles wäre rausgekommen und... Ich wollte meinem
Mann keinen weiteren Anlaß geben... Deswegen hab ich Sie angerufen, Monsieur
Burma.“
„Ja, verstehe“, sagte ich nickend.
„Aber jetzt weiß er, daß der Schmuck gestohlen wurde.“
„Ja. Aber es scheint ihm egal zu
sein.“
„Den Eindruck hatte ich auch.“
Ein schwaches Lächeln huschte über
ihre rotgemalten Lippen.
„Ich hab ihn wohl falsch eingeschätzt.
Die Nachricht von dem Diebstahl hat ihn nicht sonderlich beeindruckt.“
„Hm... Vielleicht kommt es ihm nicht
ungelegen, daß Ihr Chauffeur den Schmuck geklaut hat. Aber daß Sie die
Duplikate haben anfertigen lassen...“
„Mein Gott!“ rief sie. „Sie werden...
Sie werden es ihm doch wohl nicht sagen?“
„Beruhigen Sie sich!“
Ich hatte keine Lust, vor meiner
Klientin zu stehen. Wir befanden uns nicht in einem Salon mit Kronleuchtern,
Samt und Seide, sondern in einem düsteren Zimmer in einem düsteren Haus mit
wackligen Möbeln, wo vor kurzem jemand ermordet worden war. Ich zog einen der
Sessel mit Schutzhülle heran und setzte mich.
„Und wenn er’s von selbst merkt?“
fragte ich Madame Ailot. „Oh, er ist nicht neugierig. Der Schmuck wandert
wieder in den Tresor... Ich trage ihn praktisch nie... und dort wird er
bleiben...“
„Bis sich der nächste Chauffeur
darüber hermacht“, ergänzte ich in Gedanken. Laut fragte ich:
„Wer wußte sonst noch von der... der
miserablen Qualität des Schmucks?“
„Niemand. Weder Célestin noch mein
Sohn noch Suz ... noch Suzanne. Man protzt ja nicht
mit unechtem Schmuck.“
„Natürlich nicht. Niemand wußte also
davon?“
„Niemand.“
„Außer dem, der die Duplikate
angefertigt hat.“
„Äh... ja, natürlich.“
„Name?“
Sie muckte auf.
„Das geht Sie nichts an. Ihr Auftrag
ist erledigt. Sie arbeiten nicht mehr für mich.“
Ich schüttelte den Kopf und spielte
zerstreut mit einem Riß in der Schutzhülle meines Sessels.
„Eben“, sagte ich.
„Das heißt also, Sie arbeiten gegen mich?“
„Aber nein! Nur werd ich einen Hintergedanken nicht los.“
„Mein Mann hatte einmal recht ! Warum mußte ich auch einen Privatdetektiv engagieren?
Sie wissen sehr wohl, wer die Imitationen hergestellt hat. Ich ahne es!“
„Nein, Madame. Würde mich freuen, wenn
Sie’s mir verrieten.“
„Rosembaum“, zischte sie. „Raymond
Rosembaum. Und, werden Sie mich jetzt anzeigen, wegen Mordes?“
„Immer mit der Ruhe! Der Gedanke, Sie
hätten Rosembaum getötet, würde mir nicht im Traum kommen! Nur wenn Sie mir
seinen Namen verschwiegen hätten, könnte ich gewisse Zweifel...“
Wir schwiegen eine Weile. Dann stand
Madame Ailot auf. „Ich muß jetzt gehen“, sagte sie.
Ich stand ebenfalls auf.
„Tut mir leid, daß ich Ihnen so wenig
helfen konnte“, bedauerte ich.
„Letzten Endes haben Sie mir doch noch
zu meinem Schmuck verholfen“, sagte sie lachend. „Wenn Sie nicht die Vermutung
geäußert hätten, daß Célestin ihn vielleicht hier versteckt haben könnte, wäre
ich nie auf die Idee gekommen...“
„Ja, natürlich. Wie geht es übrigens
Suzanne?“ fragte ich. „Ich wollte zu ihr. Sie wird aber unter Verschluß gehalten. Sehr krank, hat man mir gesagt. Ich
würde lieber nicht darüber reden“, seufzte sie.
„Hab gehört, Sie haben einen
hervorragenden Rechtsanwalt für sie engagiert.“
„Nein, mein Mann. Ich... Vielleicht
ist er ja doch kein schlechter Mensch.“
„Niemand ist ganz schlecht oder ganz
gut. Zum Beispiel hat mich eben ein ritterlicher Gauner angerufen.“
„Ein ritterlicher Gauner?“
„Ja, so was gibt’s. Werd ihn morgen treffen, auf der Rennbahn von Auteuil . Er hat mir gesagt, daß Suzanne unschuldig ist.
Morgen will er mir Einzelheiten verraten.“
„Unschuldig? Wie sollte denn ein
Gauner... falls das ein Gauner ist...“
„Das ist einer. Vielleicht versucht er
auch nur ‘n Trick. In meinem Beruf macht man sich immer
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