Das Stockholm Oktavo
davon, und wenn sie kann, wird sie einen Weg zurück zu ihrer Herrin finden. So ist das mit magischen Dingen. Sehen Sie sich doch nur an, was geschehen ist, seit ich den Fächer an mich genommen habe.«
Wir schleppten die Truhe zur Tür des Dienstbotenaufgangs, und Madame Sparv bat Katarina, eine Kutsche für mich zu rufen. Wir warteten ein paar Minuten und lauschten dem gedämpften Prasseln der Hagelkörner an den Fensterläden, bis wir schließlich einen Schlitten kommen hörten.
»Sie müssen die Truhe abliefern und selbst hineintragen. Kein Wort zu niemandem!«, flüsterte sie und gab mir einen kleinen Beutel voller Münzen. »Für die Kutsche und für Ihre Mühe.«
»Wohin soll ich fahren?«
»In die Kocksgränd zu meinem Geschwätzigen.« Ich spürte, wie die Fragen sich auf mein Gesicht stahlen. »Die Nordéns sind meine beste und einzige Wahl. Bei ihnen ist mein Geld sicher, bis Gustav zurückkommt.«
»Aber sie sind als Royalisten bekannt, und Margot ist Ausländerin und zudem Katholikin.«
»Im Moment haben die Nordéns bei der Uzanne einen Stein im Brett, daher wird Herzog Karl dafür sorgen, dass sie nicht belästigt werden. Christian und Margot sind meine Freunde – und Ihre auch. Wir haben Glück.« Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln voller Hoffnung und Erregung. Ich erinnere mich gut daran, denn es war eines ihrer letzten, die ich für lange Zeit sehen durfte. »Wir werden das Spiel gewinnen. Ja. Der Einsatz ist hoch, die Trümpfe werden die Weltkarte für jetzt und alle Zeiten ziehen. Ist Ihnen das eigentlich klar, Emil? Wir spielen für das kommende Königreich!«
Wir lachten beide herzlich darüber, aber wenn ich daran zurückdenke, gab es einen Unterton in unserem Gelächter – schrill und nervös bei mir, düster und irr bei ihr.
»Jetzt müssen wir uns beeilen«, sagte sie. »Der Vorhang geht um neun Uhr auf.«
Wir gingen ins vordere Treppenhaus, wo ich von Katarina Mantel und Handschuhe entgegennahm. Der Hausmeister forderte den Kutscher auf, ihm mit der Truhe zu helfen. »Sie können jetzt gehen, Katarina«, sagte Madame Sparv. Erleichterung sprach aus dem Gesicht des Hausmädchens, und wir warteten, bis ihre Schritte hin zu ihrem geliebten Hausmeister in der Dunkelheit verklungen waren. Madame Sparv fasste mich an der Schulter und drückte meine Oberarme mit erstaunlicher Kraft. »Ich weiß nicht, wann ich Sie wiedersehen werde. Mein Haus ist nicht mehr sicher, ich muss untertauchen, bis der Reichsrat getagt hat.«
»Das kann Monate dauern«, sagte ich. Ich spürte, wie mir wegen des seltsamen Gefühls des Verlustes ein Kloß in der Kehle saß.
Sie nickte. »Herrlich, einen Kurier geschenkt zu bekommen, der mir so viel mehr ist, als ich mir je vorstellen konnte.« Sie küsste mich zärtlich auf die Wange. »Ein wahrer Sohn. Auf Wiedersehen, Emil.«
Kapitel 31
Der Kurier
Quellen: E. L., M. Nordén, ein anonymer Kutscher
Fiebernd bestieg ich den wartenden Schlitten und rief dem Kutscher mein Fahrziel zu. Im Inneren roch es nach nasser Wolle und Kölnischwasser, Kiefernduft stieg vom Boden auf, der mit Reisig ausgelegt war, um Schnee und Schlamm aufzunehmen. Ich stellte meine Füße auf die Truhe – die Silberschnalle an meinem linken Schuh fehlte. In der Truhe steckte ausreichend Geld, um viele Jahre lang Silberschnallen zu kaufen.
Es wäre ein Leichtes, den Kutscher nach Stavsnäs umzudirigieren. Von dort könnte ich nach Sandholmen gelangen, Kontakt mit Kapitän Hinken aufnehmen, an Bord der
Henry
gehen und mich mit einem kleinen Vermögen davonmachen. Ich schloss die Augen und versuchte mir ein komfortables Leben in Kopenhagen oder noch weiter im Süden, in Frankfurt, vorzustellen, wusste aber, dass ich nicht weiter fahren würde als bis zur Kocksgränd. Ich war Stockholmer und würde es immer bleiben, nachdem Madame Sparv mich mit einem mütterlichen Kuss hier festgenagelt hatte. Vielleicht verstand sie Liebe und Verbundenheit in diesem Sinne.
Der Kutscher schnalzte mit der Zunge und schlug leicht mit den Zügeln, und wir fuhren durch Schnee und Eis zur Västerlånggatan, in der sich die Feiernden drängten. Doch am Storkyrkbrinken, dem steilen Anstieg zum Palast, waren nur noch ein paar Versprengte übrig. Wir fuhren an der aufragenden Storkyrkan vorbei und bogen in den Schlosshof ein.
»Kein Licht in den Gemächern Seiner Majestät, sehen Sie?«, rief der Kutscher nach hinten. »Vielleicht ist der König schon auf dem Weg nach Gävle. Seinen Silberthron hat er
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