Das Stockholm Oktavo
von Meister Fredrik; desgleichen kenne ich Madame S.« Er wurde misstrauisch – ich kannte ja seine strengen Vertraulichkeitsregeln. »Ich habe mich gefragt, ob Sie wohl so nett wären und mich jemandem vorstellen könnten, einer Kundin von Ihnen. Fräulein Plomgren.« Bevor er noch antworten konnte, bat die Uzanne um Aufmerksamkeit, sie zeichnete sich dunkel vor dem gleißenden Schnee hinter den Rundbogentüren ab. Es wurde still im Salon, die Gäste schlichen zurück auf ihre Plätze. »Wir sprechen nach dem Unterricht weiter«, flüsterte ich.
»Wir danken Fräulein Plomgren für Ihre geschätzte Vorführung der Fächersprache.« Vereinzelter Applaus. »Sie wird ihr Wissen und Können in den kommenden Monaten mit Ihnen teilen. Wenn Ihre Zeit auf Gullenborg zu Ende ist, werden Sie diese Sprache fließend beherrschen. Doch verglichen mit dem, was noch kommt, war das heute ein Kinderspiel. Sie sind hier, um noch sehr viel mehr zu lernen.« Bei diesen Worten beugte sie sich vor, als wollte sie ein Geheimnis enthüllen. »Ich spreche vom Waffengang.« Die jungen Damen nickten, als wüssten sie Bescheid. Die Männer hielten nur gespannt den Atem an.
Die Uzanne stand still da, ihr Fächer flatterte vor ihrem Brustkorb. »Der Waffengang ist der erste Teil der Schlacht, und in Ihren Händen, meine jungen Damen, liegt nun eine der wenigen, aber schlagkräftigsten Waffen.« Sie ging zu dem Herrentisch rechts von mir. Pechlin und drei andere Männer steckten eindringlich tuschelnd die Köpfe zusammen, sie waren in einem leidenschaftlichen Disput begriffen, den sie nicht lösen konnten. »Der Waffengang ist eine Disziplin, die über jede Sprachkenntnis hinausgeht und sich die Macht der Anziehungskraft zunutze macht. Die wahre Beherrschung des Waffengangs mag inkonsequent erscheinen, aber wenn man Erfolg haben will, muss man die Aufmerksamkeit deren auf sich ziehen, die man erobern will.«
Nun stand auch Pechlins Tisch unter ihrem Bann, bis auf einen jungen Mann in einem schwarzweißen Wams, der noch immer redete. Meister Fredrik beugte sich zu mir – eine unversiegbare Informationsquelle. »Das ist Adolph Ribbing, ein hitzköpfiger Feind des Königs, den Pechlin umwirbt. Ribbing hat Gustavs Stallmeister im Duell um eine Frau getötet, und Madame will ihn in ihrem Lager haben.«
Die Uzanne schloss ihren Fächer, legte ihn an Ribbings Wange und drehte sanft seinen Kopf zu sich. Er verstummte. »Aufmerksamkeit kann man nicht erzwingen, aber man kann sie erbeten.« Sein Gesicht war auf der Höhe ihres Unterleibs, er hob den Kopf zu ihr. »Interesse zu wecken ist der erste Schritt im Austausch von Nachrichten.« Sie blinzelte nicht, sie ließ ihren Fächer an seinem Hals hinabgleiten, beugte sich über ihn, ihre Brüste drückten gegen die graue Spitze. »Biete etwas Interessantes, und du bekommst dafür etwas zurück.« Sie zog den Fächer weg und fing an, ihn rhythmisch nach unten zu streicheln, dabei fächelte sie Ribbing mit dem Fächer Luft zu. Ihre Wangen und Lippen wurden rosig. Eine Locke löste sich und purzelte auf die vollkommene Haut ihres Nackens.
»Welche Dienste kann ich Ihnen anbieten, Madame?«, fragte er.
»Das sollte man immer unter vier Augen besprechen«, sagte sie, »aber um meiner Schülerinnen willen werde ich es sagen: den Waffengang.«
Die jungen Damen seufzten. Der Mann zupfte an seinem Rock. »Eine Heirat ist eine ernsthafte Angelegenheit, Madame«, sagte er steif.
»Dann engagieren wir uns für etwas anderes als die Ehe.« Sie befächelte sein Gesicht mit trägen Bewegungen, die jeweils eine Acht bildeten. Sie beugte sich zu seinem Ohr hinunter und flüsterte ihm etwas Intimes zu. Der Salon war fasziniert, nur das leise Ticken der Kaminuhr zog uns in der Zeit weiter. Die Uzanne drehte den Kopf und nickte ihren Schülerinnen zu. Frustriert von ihrem lückenhaften Wissen und ihrer mangelnden Erfahrung bissen sich die Mädchen auf die Lippe. Trotzdem nahmen sie ihre Fächer und warfen den Offizieren und anderen Herren Blicke und einfache Botschaften zu. Mütter und Anstandsdamen ermutigten ihre Mündel zu kühneren Taten. Die Mädchen nahmen die Herausforderung an und drehten sich, damit ihre Figur zur Geltung kam – da strich ein nackter Unterarm über einen Busen, dort hielten Finger einen Fächer locker am Stiel. Kehliges Lachen dröhnte durch das Murmeln von Sendern und Empfängern von Nachrichten, Verse derber Lieder mischten sich darunter, Stöhnen und Seufzen war zu hören. Fächer
Weitere Kostenlose Bücher