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Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
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schlugen, fielen, stießen zu. Das steigerte sich in Lautstärke und Tempo, bis der ganze Raum von einem Summen und Surren erfüllt war, aus dem kein einzelnes Wort mehr herauszuhören war. Es gab nur das Geräusch der Begierde.
    »Madame, und welche Dienste kann ich Ihnen anbieten?«, stöhnte Meister Fredrik und fing an, leise in seinem Bariton ein zotiges Lied zu summen. Christian suchte Margot, Lars hing an Anna Maria wie ein Schatten, Mutter Plomgren grinste dümmlich. Johanna drückte sich an die Wand, aus ihrem Gesicht sprach fast so etwas wie Panik. Ich war froh, dass ich an einem Tisch saß, denn meine Hosen bauschten sich und ich schwitzte schrecklich.
    Luisa stand an der Dienstbotentür und wartete auf das Zeichen. »Meine Gäste sind sicherlich ausgehungert, ich denke, es ist Zeit für eine Stärkung«, sagte die Uzanne. Als die Diener mit vollbeladenen Silbertabletts hereinkamen, bekam die Menge Heißhunger. Sie rief nach Champagner, pürierten Erdbeeren, Eis und gerührter Schokolade. Diener eilten herbei, um ihre Wünsche zu erfüllen, sie trugen Platten voller Obstkuchen, reifer Früchte, Zitronenkuchen und Schokoladentrüffeln. Die Küchenmägde kamen aus dem Keller, um ihre hitzige Neugier zu befriedigen. Selbst die alte Köchin spähte durch die Tür, um einen Blick auf die gefräßige Menge zu erhaschen, es schwindelte ihr von deren Gelüsten. Die Uzanne, die Hand noch leicht auf der Schulter des Mannes im Wams, beobachtete das Ganze mit dem Blick einer Gelehrten und dem Lächeln einer erfolgreichen Kurtisane.
    Als die Leute gesättigt waren, ließ die Uzanne ihren Fächer aufspringen, und in der hereinbrechenden Dunkelheit des Winternachmittags wurde der Raum erneut perlgrau, die Gäste waren wieder höflich und aufmerksam. Nur Pechlin wirkte völlig unbeeindruckt, er gähnte und stand auf, um auf die Uhr zu blicken. »Sehen Sie, wie der Waffengang alles verändert?«, fragte die Uzanne. »Selbst den Lauf der Geschichte. Selbst den größten Mann kann man damit … entwaffnen.« Ribbing nahm ihre Hand und küsste sie. Langsam zog die Uzanne ihre Hand zurück und trat wieder vors Publikum. »Der Waffengang ist wie das Öffnen Ihres Fächers, es schenkt viel Vergnügen, ist aber nur der erste Schritt«, sagte sie. »Wenn Sie die Kunst des Schließens nicht beherrschen, kann Ihnen alles genommen werden, was Sie wünschen, das Nachspiel ist möglicherweise … schmerzlich.« Sie drehte ihren Kopf ins Profil, ihr langer Hals beugte sich in der Erinnerung an einen Kummer. Leises Flüstern füllte den Salon, mitfühlende Blicke schossen zwischen den Müttern und den älteren Herren hin und her, die ihren Henrik noch gekannt hatten. »Im März sind Sie bereit für Ihr Debüt. Sie werden die Fächersprache beherrschen wie Ihre Muttersprache. Sie sind gewappnet für den Waffengang und einen siegreichen Höhepunkt. Aber dazu müssen Sie sich streng an meine Anweisungen halten. Wir werden uns hier wöchentlich unter weniger formalen Umständen treffen – ohne diese gutaussehenden Herren, die Sie ablenken, und ohne einen Vortrag. Zwischen den Unterrichtsstunden müssen Sie beständig üben, achten Sie auf ältere Mädchen, bitten Sie um Hilfe, wenn nötig. Und dann üben Sie noch mehr, bis Ihre Hand keinen Fächer mehr halten kann. Sie bekommen eine Liste der Bewegungen, die Sie jede Woche beherrschen müssen. Ich würde vorschlagen, Sie überlegen sich auch, wie Sie auftreten, Sie sind schließlich keine kleinen Mädchen mehr. Sie sind Frauen, und Sie müssen von Ihrer Macht Gebrauch machen.« Erregtes Geplapper erhob sich unter den Mädchen und verstummte, als die Uzanne fortfuhr: »Ich verspreche Ihnen, Ihr Debüt wird unvergesslich sein, ich muss Ihnen aber auch gleich sagen, dass es nicht bei Hofe stattfinden wird. Der Hof ist eine leere Muschelschale.« Sie hielt inne, aber es gab kein missmutiges Raunen. »Ihr Debüt wird am letzten Maskenball vor der Fastenzeit stattfinden, es wird der Übergang in ein neues Leben für uns alle sein.«
    »Wovon redet Sie?«, flüsterte ich Meister Fredrik zu. »Sucht Sie einen neuen Mann?«
    Er zuckte mit den Achseln und fragte zurück: »Spielt das eine Rolle?«
    »Vielleicht nicht.« Ich gebe zu, dass ich völlig in ihrem Bann stand. Die Uzanne hatte aus einem Techtelmechtel ein Spiel gemacht, bei dem man sich engagieren musste, und ihr Waffengang war ein höheres Ziel als dasjenige, das mein Vorgesetzter für mich im Sinn hatte. Wenn sie diese Mädchen erst einmal

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