Das Stockholm Oktavo
werden sie durch das Kreuz, das die vier Elemente bilden. Die Schnittpunkte ergeben das Achteck, die heilige Form.«
»Woraus leitet sich diese Geometrie ab?«, fragte ich. Mathematik und Magie waren sehr en vogue.
»Das finden Sie nicht in der Broschüre eines billigen Orakels vom Markt. Das ist das Wissen von Geheimgesellschaften, uraltes Wissen, das einer Elite vorbehalten ist. Ich darf Ihnen meine Quelle nicht nennen, aber es gibt da den einen oder anderen Herrn, der bereit ist, eine Dame darin zu unterweisen. Ich habe niemals mehr erhalten als elementare Anleitungen, diese Philosophie aber steht überall für uns geschrieben. Gehen Sie zur Katharinenkirche auf Södermalm, ihr Turm übermittelt eine bedeutende Botschaft. Gehen Sie in jede beliebige Kirche, Herr Larsson – das Taufbecken ist fast immer achteckig. Diese Form steht für den achten Tag nach der Schöpfung, wenn der Lebenszyklus von neuem beginnt. Es ist der achte Tag nach dem Einzug Jesu in Jerusalem. Das Oktavo ist die Kartenverteilung der Wiederauferstehung.«
»Und was ist das kleine Quadrat ganz in der Mitte?«, fragte ich.
»Es steht für Ihre Seele, die auf ihre Wiedergeburt wartet. Ein Ereignis, das ein Oktavo nahelegt, wird Sie unweigerlich grundlegend verändern.« Sie fasste über den Tisch hinweg und drückte zwei Finger mitten auf meine Brust. Ich spürte die beiden miteinander verbundenen Kreise auf meinem Brustbein. »Sie müssen die Ringe der Acht durchlaufen, um zum Ende zu gelangen«, sagte sie.
Mein Mund war plötzlich staubtrocken. »Aber die Acht hat kein Ende.«
Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln und zog ihre Hand zurück. »So, wie auch die Seele kein Ende hat.«
Sie fuhr fort: »Die ausgelegten Karten stehen für acht Menschen.« Sie berührte jedes Rechteck auf dem Tuch. »Jedes Ereignis, das dem Suchenden widerfahren könnte, und zwar ausnahmslos jedes, kann mit einem Kreis von acht Personen in Beziehung gesetzt werden. Und diese acht müssen zur Stelle sein, wenn das Ereignis eintreten soll.«
»Mehr als drei Menschen zugleich halte ich nicht aus, Madame Sparv, und das auch nur, wenn diese mir am Spieltisch gegenübersitzen«, sagte ich.
»Weniger geht nicht, und mehr finden Sie nicht. Diese acht Menschen können rückblickend ohne Schwierigkeiten ausgemacht werden, aber während man das Oktavo legt, erkennt man sie erst, kurz bevor das Ereignis eintritt. Der Suchende kann es dann in die Richtung beeinflussen, die er wählt. Sie müssen die acht nur antippen. Nehmen Sie es als Schicksal hin, als freiwillige Bindung.«
»Und aufgrund welches bevorstehenden Ereignisses wollten Sie nun ein Oktavo legen?«
»Es ist ein Ereignis von herausragender Bedeutung, ein Wendepunkt. Die meisten Menschen haben ein oder zwei solche Momente in ihrem Leben, aber ich kenne auch einige, die hatten vier. Liebe und Verbundenheit, die ich für Sie gesehen habe, stehen für solch ein Ereignis. Eine Vision ist oft der Katalysator dafür.«
»Das gibt mir die Hoffnung, dass ich wirklich diesen goldenen Weg einschlagen könnte! Aber ich durfte ja schon bei Ihren Sitzungen zugegen sein und habe Sie nie zuvor ein Achteck legen sehen.«
»Richtig, Herr Larsson, das ist nicht für jedermann. Ich muss das Oktavo anbieten, und der Suchende muss es akzeptieren. Er muss einen Eid leisten, dass er den Weg bis zum Ende geht.«
»Waren diese Suchenden denn in der Lage, die Ereignisse zu beeinflussen, die ihnen vorhergesagt wurden?«
»Nur diejenigen, die dem Eid, den sie geschworen hatten, auch gefolgt sind. Für jeden von ihnen hat sich die Welt verändert, und ich würde sagen, zu ihren Gunsten. Die anderen gingen im Sturm zugrunde, den sie nicht sehen wollten. Ich kann Ihnen versichern, dass mir das Wissen, das ich aus meinem letzten Oktavo gezogen hatte, große Sicherheit und Annehmlichkeiten geschenkt hat.«
»Sicherheit und Annehmlichkeiten …« Ich deutete auf den Weinbrand, der auf Madame Sparvs Anrichte stand. Sie nickte, ich goss mir ein Glas ein. Ich könnte das Oktavo dazu nutzen, Carlotta Vingström in mein Hochzeitsbett zu bekommen. Das würde mir meine Position im Amt sichern und mir zweifellos eine großzügige Mitgift bescheren, ganz zu schweigen von den Freuden, die Herrn Vingströms exzellenter Weinkeller bietet. Ein goldener Weg, in der Tat! Ich setzte mich wieder und rieb mir die Hände, um sie zu wärmen, wie ich es vor jeder Partie tat. »Dann sollte ich dieses Spiel der Acht also aufnehmen«, sagte
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