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Das Stonehenge - Ritual

Das Stonehenge - Ritual

Titel: Das Stonehenge - Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Christer
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platziert haben. Die Gebeine und das Blut unserer Ahnen nähren die Geheiligten an ihren Ruhestätten, wohin ihnen eines Tages unsere sterblichen Überreste nachfolgen und den Kreis schließen werden.«
    Aus Grabbs stählerner Thermostasse wabert Dampf. Er nimmt einen Schluck von dem heißen Tee, ehe er die nächste Frage stellt: »Und
wie
segnen uns die Geheiligten?«
    »Mit ihrer spirituellen Energie. Sie übertragen sie durch die Steine auf uns, und ihr Segen schützt uns vor schlimmen Krankheiten und demütigender Armut.«
    Grabb ist zufrieden. Sein Schüler lernt fleißig seinen Katechismus – was nur ein gutes Licht auf ihn selbst werfen kann. Er schenkt Lee noch einmal Tee nach. »Und was erwarten die Geheiligten im Gegenzug von uns?«
    »Respekt.« Er spricht das Wort mit aufrichtiger Überzeugung aus. »Wir müssen sie erkennen, respektieren, ehren, an sie glauben und den Lehren folgen, die sie uns durch ihr ernanntes Orakel, den Henge-Meister, zukommen lassen.«
    »Das ist richtig, Lee. Denk an jene, die uns unser Erbe stehlen wollten. Denk an die Katholiken und ihre angeblich von Gott stammenden, auf Steintafeln geschriebene Gebote. Sie haben sich diese Geschichte doch erst zusammengeköchelt, als die Geheiligten hier in England bereits zweitausend Jahre geherrscht haben.«
    Lee nickt. Er versteht, was Grabb meint. Er darf sich nicht von anderen Religionen vom Weg abbringen oder verführen lassen – von falschen Glaubenssystemen, die große, goldglitzernde Paläste zur Anbetung haben, jede Woche von ihren Gemeinden Geld einsammeln und damit ihre eigenen Banken und Staaten gründen. »Sean«, beginnt er, nach Bestätigung lechzend. »Ich weiß, dass du deinen Stammbaum zurückverfolgen kannst bis zu den ehrwürdigen Männern, die damals die Blausteine und die Sarsensteine trugen. Mir leuchtet ein, dass dich das würdig macht für die Segnungen und den Schutz der Geheiligten, aber was ist mit Leuten wie mir? Wir sind Außenseiter. Wir stammen nicht aus der Gegend.«
    Grabb spürt die Unsicherheit des jungen Mannes. Lee hat regelmäßig solche Krisen. »Wir stammen alle aus der
Gegend
, mein Freund. Vor fünftausend Jahren lebten in Britannien nur ganz wenig Menschen. Damals wären wir beide wahrscheinlich Brüder gewesen, oder auf jeden Fall Vettern.«
    Johns gefällt diese Vorstellung. Außerdem klingt das, was Grabb sagt, durchaus plausibel. Schließlich glauben sogar die Christen an Adam und Eva und daran, dass aus einem einzigen Moment Sex irgendwie die ganze Menschheit hervorgegangen ist – oder so ähnlich, genau kann er sich nicht mehr erinnern. Brüder. Er und Sean.
    »Du machst deine Sache richtig gut, Lee.« Grabb legt einen breiten Arm um die magere Schulter des Jungen, um ihm auf diese Weise zu zeigen, wie stolz er auf ihn ist.
    In Wirklichkeit aber macht er sich Sorgen. Er fragt sich, ob sein Schützling den Schrecken der Herausforderung gewachsen sein wird, die ihn erwartet.

17
    Nach einer Tetanusspritze und einer seiner Meinung nach völlig unnötigen Blutentnahme wird Gideon am Spätnachmittag aus dem Krankenhaus entlassen. Der einzige Lichtblick für ihn ist, dass die Polizistin es geschafft hat, ihm per Fahrradkurier die Schlüssel für das Haus seines Vaters zukommen zu lassen, während er im Krankenhaus herumsitzen musste.
    Als er sich nun in einem Taxi dem Herrenhaus nähert, kann er sehen, dass der Schaden beträchtlich ist. Die Rasenflächen sind von den Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr verwüstet, die Seite des Gebäudes mit einer schwarzen Rußschicht überzogen. Zerborstene Fenster sind notdürftig mit Brettern zugenagelt, das Mauerwerk weist an mehreren Stellen Risse auf.
    Im Moment ist ihm das egal, er sieht in dem Haus bisher nur einen Haufen Ziegel und Mörtel. Erst als er es durch die kolossale Eingangstür betritt, empfindet er etwas.
    Der Tod seiner Mutter hatte Gideon damals in tiefste Verzweiflung gestürzt. Vorher war er ein selbstbewusster, extrovertierter Junge gewesen, voller Vertrauen in die Welt und seinen Platz darin. Danach veränderte er sich zu einer introvertierten, misstrauischen Persönlichkeit. Durch den Tod seines Vaters vollzieht sich in ihm nun ein weiterer Wandel. Gideon weiß noch nicht recht, inwiefern, aber er spürt es bereits. In seinem Inneren baut sich eine explosive Mischung aus Wut, Frustration und Groll auf. Hinzu kommt noch ein Hauch von etwas anderem: das Gefühl, dass das Leben unfair zu ihm ist. Zusammengenommen ergeben diese

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