Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
rauche?«
      Kirsten schüttelte den Kopf. Sie war schockiert, eine echte Ärztin rauchen zu sehen - noch dazu eine so junge -, doch sie hatte nichts dagegen. Dr. Henderson drehte sich in ihrem Stuhl um und machte das Fenster etwas weiter auf.
      »Kann ich auch eine haben?«, fragte Kirsten.
      »Natürlich.« Die Psychologin schob ihr die Schachtel herüber. »Ich wusste nicht, dass Sie rauchen.«
      »Tue ich auch nicht«, hätte Kirsten fast gesagt, konnte sich aber zurückhalten. »Manchmal«, sagte sie und zündete sich eine an. Auch wenn die ersten Züge etwas wehtaten, machte sie sich nicht zur Idiotin, indem sie anfing zu husten und zu prusten und zu keuchen. Sie hatte schon einige Male geraucht, um auszuprobieren, wie es war. Zuerst wurde ihr etwas schwindelig und übel, aber ihr Kreislauf schien sich schnell daran zu gewöhnen.
      »Und ich heiße mit Vornamen Laura«, sagte die Psychologin. »Ich möchte, dass wir Freundinnen werden.« Aus einer Thermoskanne auf dem Tisch schenkte sie zwei Tassen Kaffee ein und schob eine zu Kirsten. »Milch? Zucker?«
      Kirsten schüttelte den Kopf.
      »Gut, dann schwarz. Also, ich nehme an, Sie konnten im Grunde mit niemandem darüber reden, was Ihnen zugestoßen ist, richtig?«
      »Ja. Ich kann mich nicht erinnern, verstehen Sie, wirklich nicht. Es ist so, als wäre da eine schwere, schwarze Wolke in meinem Kopf, in der alles drin ist. Aber ich kann nicht hineinschauen.«
      »Ich meinte jetzt gar nicht so sehr das Geschehnis selbst, sondern Ihre jetzigen Gefühle dazu«, sagte Laura.
      »Ich glaube, ich fühle überhaupt nichts.«
      »Warum haben Sie diese Pillen genommen? Wegen dieser Wolke?«
      »Teilweise, schätze ich. Aber vor allem, weil ich nicht das Gefühl habe, wirklich zu leben. Ich meine, ich habe an nichts mehr Gefallen. Lesen ... Gesellschaft ... und ich schlafe nicht gut. Ich habe schlimme Träume, immer und immer wieder. Ich dachte, es wäre vielleicht besser, wenn ich einfach ...«
      »Verstehe.« Dr. Henderson machte eine Notiz in der Akte. »Wie wichtig sind Sex und Kinder in Ihrem Leben, Kirsten?«
      Kirsten schluckte, geschockt vom plötzlichen Themenwechsel. Ihr Mund wurde wieder trocken und der bittere Kaffee machte es noch schlimmer. Sie wandte sich ab. »Habe ich nie drüber nachgedacht. Ich schätze, man macht sich erst darüber Gedanken, wenn ... wenn ...«
      »Wenn man keine mehr haben kann?«
      »Ja.«
      »Haben Sie jemals daran gedacht, Kinder zu haben?«
      Kirsten schüttelte den Kopf. »Irgendwann. Ich dachte, irgendwann würde ich welche haben. Aber wirklich daran gedacht habe ich nicht.«
      »Was ist mit Sex? Haben Sie regelmäßig mit Ihrem Freund geschlafen?«
      Ohne es zu wollen, errötete Kirsten, als sie Dr. Henderson von Galen erzählte und davon, wie sie nun versuchte, ihn aus ihrem Leben zu verdrängen. Die Psychologin hörte zu und machte dann weitere Notizen in ihrer Akte.
      »Soweit ich gehört habe«, sagte sie, »hat Dr. Masterson Ihnen gesagt, dass Geschlechtsverkehr schmerzhaft sein würde, wenn nicht unmöglich. Stimmt das?«
      Kirsten nickte.
      »Aber das ist nicht alles beim Sex, oder?«
      »Was meinen Sie?«
      »Was ich meine«, sagte die Psychologin, »ist, dass Sie vielleicht beginnen sollten, über die angenehmen Dinge nachzudenken, die Sie tun können, statt an die, die Sie nicht tun können. Ich möchte Sie nicht damit in Verlegenheit bringen, indem ich Ihnen hier erkläre, welche Möglichkeiten Sie haben, aber es gibt Bücher zu dem Thema. Was ich sage, ist, dass Sie zwar den Verlust Ihrer vollständigen Sexualität akzeptieren müssen, aber nicht glauben dürfen, dass es das Ende Ihres gesamten sinnlichen und erotischen Lebens bedeutet. Es ist wichtig, zu wissen, dass Sie diese Gefühle immer noch haben und sie auf bestimmte Weise befriedigen können. Sie können immer noch berühren und fühlen.«
      Kirsten starrte hinab auf den Boden. Darüber hatte sie nicht nachgedacht; seit sie das Krankenhaus verlassen hatte, hatte sie versucht, nicht an Sex zu denken, und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Im Moment war es wahrscheinlich am besten, das Thema an sich vorbeiziehen zu lassen.
      »Denken Sie einfach mal darüber nach, was ich gesagt habe«, fuhr die Psychologin fort. »Es könnte ein langer Weg werden, Kirsten, aber wenn Sie am Ball bleiben, werden wir Sie dahin kriegen. Und wenn Sie jemals das Bedürfnis haben, mit jemandem zu

Weitere Kostenlose Bücher