Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
Vom Netzwerk:
reichte. Mit dem Austritt der USA (zweiundzwanzig Prozent) und Japan (neunzehn Komma fünf Prozent) hatten die größten Beitragszahler ihren Abschied genommen. Unter diesen Umständen waren friedenssichernde Blauhelmaktionen nicht mehr zu bezahlen, der Sicherheitsrat hatte sie seit Jahren nicht mehr angeordnet. Zu allem Überfluss erwuchs den Vereinten Nationen mit den URP eine Konkurrenz, die von einem Geist beseelt war, von dem ein Generalsekretär der UNO nur träumen konnte. Dass mit Australien kürzlich das erste Schwergewicht die Seiten gewechselt hatte, war ein fatales Signal.
    »Kommen Sie, wir sind da«, ermunterte Selby seinen Gast, der in Gedanken versunken neben ihm kauerte.
    Sie gingen auf einen Hohlweg zu, der sich steil nach unten wand. Nach einer Viertelstunde, in der sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen gesetzt hatten, erreichten sie eine ruhige, sanft geschwungene Bucht. Der Puget Sound lag wie ein gewachstes Tischtuch in der Mittagssonne. Sie hockten sich auf einen Baumstamm, den der Sturm von der Steilküste getreten hatte. Das monotone Klicken der Kiesel, die von den plätschernden Wellen geküsst wurden, war alles, was sie hörten.
    »Dies war das Land der Duwamish«, sagte Selby nach einer Weile, »ich komme nur selten her, aber jedes Mal, wenn ich hier bin, habe ich das Gefühl, dass sie in ihren Kanus jeden Moment um die Ecke paddeln werden. ›Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig‹«, fuhr er rezitierend fort, »›jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. Wenn wir unser Land verkaufen, so müsst ihr euch daran erinnern, und ihr müsst von nun an diesem Allem eure Güte geben.‹« Er hob einen Stein auf und warf ihn ins Wasser: »Das sind die Worte von Häuptling Seattle, Leifur. Haben wir uns daran gehalten?«
    »Brandon«, unterbrach Sigurvinson ungeduldig, »wie hoch sind die Kosten für die Bergungs- und Aufräumarbeiten? Fünf Milliarden? Zehn?«
    »Zwanzig. Jedenfalls nach Einschätzung unserer Experten. Und das ist noch sehr knapp berechnet.«
    »Zwanzig Milliarden?! Das ist unmöglich. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir mit Arbeitskräften aushelfen, mit hoch qualifizierten Ingenieuren ebenso wie mit Bauarbeitern. Schweres Gerät ließe sich beschaffen, und wenn Sie wollen, stellen wir auch Blauhelme zur Verfügung. Wird nicht ganz einfach, das im Sicherheitsrat durchzusetzen, bedeutet eine Menge Überzeugungsarbeit. Wenn sich die Pacific Republic allerdings entschließen könnte, der UNO und nicht den URP beizutreten, sehe ich da weniger Probleme.«
    »Sie sind ein ausgekochtes Schlitzohr, Leifur«, bemerkte Selby lächelnd, »so etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht.«
    »Ich brauche nun mal ein starkes Zeichen, um der Organisation wieder Leben einzuhauchen«, erwiderte Sigurvinson achselzuckend, »das verstehen Sie doch. Der Beitritt einer Ökorepublik in die UNO wäre ein solches Signal. Es würde bedeuten, dass wir das Feld der Erneuerung nicht allein den URP überlassen. Wie es aussieht, wird Tahitis Präsidentin demnächst den Vorsitz der URP übernehmen. Sie wissen um die öffentliche Aufmerksamkeit, die Tahiti und Maeva zurzeit genießen. Dem müssen wir unbedingt etwas entgegensetzen. Eine andere Lösung sehe ich nicht.«
    »Vermutlich haben Sie recht«, antwortete Selby. »Gehen wir ein wenig spazieren. Ich kann die ganze Rede auswendig.«
    »Welche Rede?«
    »Die Rede an den amerikanischen Präsidenten. 1855. Häuptling Seattle …«
    »Na dann mal los«, sagte Sigurvinson und zog den Hut ins Gesicht.
    »Was Häuptling Seattle sagt«, begann Selby und hakte sich bei Sigurvinson unter, »darauf kann sich der große Häuptling in Washington verlassen, so sicher, wie sich unser weißer Bruder auf die Wiederkehr der Jahreszeiten verlassen kann …«
    Die Worte Selbys erreichten die Ohren der beiden Leibwächter, die sich am Hohlweg postiert hatten, nur noch bruchstückhaft mit dem Wind.
    Steve Parker war es leid. Nachdem er eine halbe Stunde vergeblich vor der Tür darum gebettelt hatte, dass der Moderator ihm endlich öffnen möge, ließ er den Hausmeister kommen. Es waren nur noch zehn Minuten bis zur Show, und Steve machte sich Sorgen um Shark, der die GO!-Arena vor einer Stunde auffallend blass und wortlos durch einen Hintereingang betreten hatte, um sich entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten in

Weitere Kostenlose Bücher