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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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los.
    Eines Tages ging er lange mit Verka im Fürstengarten spazieren. Der wunderbare alte Park, schon sehr herbstlich, prangte in den üppigen Farben des bunten Laubes: purpurrot, zitronengelb, orange und satt kirschrot wie alter Wein; und auch die kalte Luft schien nach edlem Wein zu duften. Trotzdem wehte von Sträuchern, Gras und Bäumen her ein feiner Hauch, ein sanftes Aroma von Tod.
    Dilektorski wurde sentimental, bekam Mitleid mit sich selbst und begann zu weinen. Mit ihm weinte auch Verka.
    »Heute bringe ich mich um«, sagte Dilektorski schließlich. »Es ist aus!«
    »Nicht doch, mein Liebster! Mein Goldstück, nicht doch!«
    »Es geht nicht anders«, erwiderte Dilektorski düster. »Das verfluchte Geld! … Was ist kostbarer – Ehre oder Leben?«
    »Mein Teurer …«
    »Sei still, sei still, Aneta!« (Aus unerfindlichen Gründen bevorzugte er, statt des schlichten Namens Verka, den aristokratischen Aneta, den er selbst erfunden hatte.) »Sei still. Es ist beschlossene Sache!«
    »Ach, wenn ich dir doch helfen könnte!« rief Verka bekümmert aus. »Ich würde mein Leben geben! Jeden Blutstropfen!«
    »Was ist schon das Leben!« Dilektorski schüttelte müde, schauspielerhaft, den Kopf. »Leb wohl, Aneta! Leb wohl!«
    Das Mädchen schüttelte ebenfalls verzweifelt den Kopf.
    »Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will nicht! Nimm mich mit! Ich sterbe mit dir!«
    Spätabends mietete Dilektorski ein Zimmer in einem teuren Hotel. Er wußte, daß in wenigen Stunden, vielleicht schon Minuten, er und Verka tot sein würden, und deshalb, wenngleich er nur elf Kopeken in der Tasche hatte, gab er großzügige Anweisungen, wie ein Gewohnheitsprasser: Er bestellte Sterletsuppe, Schnepfen und Obst, dazu Kaffee, Likör und zwei Flaschen eisgekühlten Champagner. Er war wirklich überzeugt, daß er sich erschießen würde, aber dennoch dachte er mit einer gewissen Koketterie daran, sich gleichsam von außen an seiner tragischen Rolle ergötzend und im voraus die Verzweiflung seiner Verwandten und das Erstaunen seiner Amtskollegen genießend. Verka aber, so plötzlich sie auch den Gedanken geäußert hatte, zusammen mit ihrem Geliebten in den Tod zu gehen, hatte ihn sich doch sofort zu eigen gemacht. Der bevorstehende Tod hatte für sie nichts Schreckliches. Was soll's, dachte sie, ist es etwa besser, einfach so auf der Straße zu verrecken? Hier bin ich wenigstens mit dem Liebsten zusammen! Zumindest ein süßer Tod! Und sie küßte ihren Beamten bis zur Raserei, sie lachte und war mit ihrem wirren Lockenhaar und ihren glänzenden Augen schön wie nie zuvor.
    Endlich kam der letzte feierliche Moment.
    »Wir haben zusammen genossen, Aneta. Haben den Kelch geleert bis auf den Grund, und nun müssen wir, wie Puschkin sagt, den Becher zerschmettern!« sagte Dilektorski. »Bereust du es auch nicht, o meine Teure?«
    »Nein, nein!«
    »Bist du bereit?«
    »Ja!« flüsterte sie und lächelte.
    »Dann dreh dich zur Wand und schließ die Augen!«
    »Nein, nein, Liebster, so will ich nicht! So nicht! Komm zu mir! So! Näher, noch näher! … Zeig mir deine Augen, ich will hineinschauen. Gib mir deine Lippen, ich werde sie küssen, und du … Ich habe keine Angst! Nur zu! Küß mich noch fester!«
    Er tötete sie, und als er das schreckliche Werk seiner Hände sah, empfand er demütigende, gemeine Angst. Verkas halbentblößter Körper zuckte noch auf dem Bett. Dilektorski wurden die Knie weich vor Grauen, doch sein Verstand eines Heuchlers, Feiglings und Schurken trieb ihn an: Wenigstens reichte sein Mut aus die Haut über seinen Rippen hochzuheben und zu durchschießen. Als er umfiel, vor Schmerz, Schreck und wegen des krachenden Schusses irrsinnig schreiend, lief das letzte Zittern über Verkas Körper.
    Zwei Wochen nach Verkas Tod kam auch die naive, heitere, sanfte, mitunter randalierende Blonde Manka um. Während eines der im Viertel allgemein üblichen lärmenden Handgemenge, bei einer Riesenschlägerei, wurde sie durch einen Schlag auf den Kopf mit einer schweren leeren Flasche umgebracht. Der Täter blieb unentdeckt.
    So schnell überstürzten sich die Ereignisse im Viertel , in Emma Eduardownas Haus, und kaum eine seiner Bewohnerinnen entging einem blutigen, erbärmlichen oder beschämenden Schicksal.
    Das letzte, grandioseste und zugleich blutigste Unglück war ein Pogrom, den Soldaten im Viertel veranstalteten.
    In einem Einrubeletablissement wurden zwei Dragoner um Geld betrogen, zusammengeschlagen und nachts auf die

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