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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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überaus leidenschaftlich sind. Das reinste Feuer! Und wissen Sie, was noch?« fragte er auf einmal vieldeutig flüsternd.
    »Was denn?« fragte der Leutnant erschrocken.
    »Nirgends, weder in Paris noch in London – glauben Sie mir, ich habe es von Leuten, die die ganze Welt gesehen haben –, nirgends finden Sie so raffinierte Formen der Liebe wie in dieser Stadt. Das ist schon was Spezielles, wie unsere Juden sagen. Die denken sich Sachen aus, die sich keine Phantasie träumen läßt. Zum Verrücktwerden!«
    »Ja, wirklich?« sagte leise der Leutnant, dem es den Atem verschlug.
    »Der Himmel soll mich strafen! Im übrigen, junger Mann! Sie verstehen doch. Ich war ledig, und jeder Mensch begeht so seine Sünden … Jetzt ist das freilich anders. Jetzt bin ich sozusagen invalidisiert. Aber aus früheren Tagen habe ich noch eine tolle Kollektion. Warten Sie, ich zeige sie Ihnen. Nur seien Sie bitte vorsichtig.«
    Horizont spähte ängstlich nach links und nach rechts, dann zog er aus der Tasche ein schmales längliches Kästchen aus Saffianleder, eines von der Art, in denen man gewöhnlich Spielkarten aufbewahrt, und reichte es dem Leutnant.
    »Bitte, sehen Sie. Aber vorsichtig.«
    Der Leutnant nahm eine Karte nach der anderen zur Hand, es waren einfache und auch farbige Fotografien, und darauf abgebildet war in jeder nur erdenklichen Art, in viehischster Weise und in den unwahrscheinlichsten Stellungen jene äußerliche Seite der Liebe, die den Menschen zuweilen unermeßlich niedriger und gemeiner macht als einen Pavian. Horizont blickte ihm über die Schulter, stieß ihn mit dem Ellbogen an und flüsterte: »Sagen Sie, ist das nicht toll? Das ist doch echter Pariser und Wiener Chic!«
    Der Leutnant betrachtete die ganze Kollektion, von A bis Z. Als er das Kästchen zurückgab, zitterte seine Hand, Schläfen und Stirn waren feucht, seine Augen hatten sich getrübt, und auf den Wangen flammten rote Flecken.
    »Wissen Sie was?« rief Horizont auf einmal gutgelaunt. »Mir ist es einerlei: ich bin gebunden. Ich habe, wie man früher sagte, alle Brücken hinter mir abgebrochen … habe mit allem, was mir teuer war, gebrochen. Schon lange suche ich nach einer Gelegenheit, diese Bilderchen abzusetzen. Aufs Geld bin ich nicht besonders erpicht. Ich verlange nur die Hälfte von dem, was sie mich selbst gekostet haben. Möchten Sie sie nicht erwerben, Herr Offizier?«
    »Wie … Das heißt, ich … Warum denn? … Nun ja …«
    »Hervorragend! Auf Grund unserer so angenehmen Bekanntschaft verlange ich fünfzig Kopeken pro Stück. Was, zu teuer? Na, Sie! Also gut, ich will Sie nicht ausrauben: sagen wir dreißig. Was? Auch nicht billig? Topp, fünfundzwanzig Kopeken das Stück! Oha! Sie sind ganz schön hartnäckig! Also zwanzig! Später werden Sie mir dankbar sein! Und noch etwas. Wenn ich nach K. komme, steige ich immer im Hotel ›Eremitage‹ ab. Sie können mich dort leicht erreichen, entweder frühmorgens oder abends gegen acht. Ich kenne eine Menge netter Damen. Ich kann Sie einführen und bekannt machen. Wohlgemerkt, nicht für Geld. O nein! Die Damen fühlen sich einfach wohl in Gesellschaft eines gesunden, hübschen jungen Mannes wie Sie. Die brauchen absolut kein Geld. Im Gegenteil! Sie spendieren selbst gern ein Weinchen, eine Flasche Champagner. Also vergessen Sie nicht: ›Eremitage‹, Horizont. Und wenn es nicht deswegen ist, merken Sie es sich trotzdem! Vielleicht kann ich mal was für Sie tun. Und die Bilderchen – das ist Ware, auf der Sie niemals sitzenbleiben. Liebhaber zahlen drei Rubel pro Exemplar. Nun ja, das sind natürlich reiche alte Leute. Und außerdem, wissen Sie …« Horizont beugte sich zum Ohr des Leutnants, kniff ein Auge zu und flüsterte verschmitzt: »Wissen Sie, viele Damen schwärmen für diese Bilderchen. Sie sind ja jung und hübsch – mein Gott, was Sie noch alles vor sich haben!«
    Nachdem Horizont das Geld in Empfang genommen und genau nachgezählt hatte, besaß er noch die Frechheit, dem Leutnant die Hand zu drücken, während dieser die Augen nicht zu heben wagte. Er ließ ihn auf dem Perron allein und kehrte in den Gang des Wagens zurück, als wäre nichts geschehen.
    Er war wirklich ein außergewöhnlich umgänglicher Mensch. Auf dem Weg zu seinem Abteil blieb er bei einem hübschen kleinen Mädchen von drei Jahren stehen, mit dem er schon lange von fern geschäkert und ihm ulkige Grimassen geschnitten hatte. Er hockte sich vor dem Mädchen nieder, machte ein Fingerspiel und

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