Das sündige Viertel
gesegnet … Ja, also dann möchte man doch etwas Eigenes haben, man möchte, verstehen Sie, seßhaft werden, ein eigenes Heim haben, eigene Möbel, ein eigenes Schlafgemach, eine eigene Küche. Ist es nicht so, Euer Hochwohlgeboren?«
»Ja … ja … äh-hm … Ja, gewiß, gewiß«, entgegnete der General herablassend.
»Nun habe ich für Sarotschka eine kleine Mitgift erhalten. Was heißt kleine Mitgift?! Eine Summe, auf die Rothschild keinen Blick werfen würde, ist in meinen Händen schon ein ganzes Kapital. Aber ich muß hinzufügen, daß ich selbst auch einige Ersparnisse besitze. Bekannte Firmen geben mir Kredit. So Gott will, werden wir unser täglich Brot haben und am Sabbat schmackhaften Fisch.«
»Schöner Fisch: Hecht auf jüdische Art!« sagte der Gutsbesitzer kurzatmig.
»Wir gründen eine Firma ›Horizont und Sohn‹. Nicht wahr, Sarotschka, ›und Sohn‹? Und Sie, meine Herrschaften, ich hoffe doch, Sie beehren mich mit Ihren werten Aufträgen? Wenn Sie ein Schild ›Horizont und Sohn‹ sehen, dann denken Sie nur daran, daß Sie eines Tages das Eisenbahncoupé mit einem jungen Mann geteilt haben, der vor Liebe und vor Glück höllisch verrückt war.«
»Auf jeden Fall!« sagte der Gutsbesitzer.
Semjon Jakowlewitsch wandte sich sofort direkt an ihn: »Aber ich bin auch Kommissionär. Kauf und Verkauf von Grundstücken, Hypothekenangelegenheiten – Sie finden keinen besseren Spezialisten, und dabei bin ich äußerst preiswert. Ich stehe Ihnen gern zu Diensten.« Und er überreichte dem Gutsbesitzer mit einer Verbeugung seine Visitenkarte. Den beiden anderen Reisegefährten hatte er übrigens auch schon je eine gegeben.
Der Gutsbesitzer griff in die Seitentasche und zog ebenfalls eine Karte hervor.
»Jossif Iwanowitsch Wengshenowski«, las Semjon Jakowlewitsch laut. »Sehr, sehr angenehm! Wie gesagt, wenn ich Ihnen dienen kann …«
»Warum nicht? Vielleicht …«, sagte der Gutsbesitzer nachdenklich. »Nun ja, möglicherweise hat uns wirklich ein glücklicher Zufall zusammengeführt! Ich fahre nämlich gerade nach K. wegen des Verkaufs von einem Waldgrundstück. Vielleicht suchen Sie mich einmal auf. Ich wohne immer im Grandhotel. Kann sein, wir einigen uns.«
»Oh, da bin ich schon fast sicher, vereintester Jossif Iwanowitsch«, rief Horizont erfreut aus und tätschelte mit den Fingerspitzen leicht das Knie von Wengshenowski. »Seien Sie unbesorgt: wenn Horizont sich einer Sache annimmt, dann werden Sie es ihm danken wie einem leiblichen Vater, nicht mehr und nicht weniger!«
Eine halbe Stunde ›später standen Semjon Jakowlewitsch und der bartlose Leutnant auf dem Perron des Wagens und rauchten.
»Sind Sie oft in K., Herr Leutnant?« fragte Horizont.
»Stellen Sie sich vor, das erstemal. Unser Regiment steht in Tschernobob. Ich stamme aus Moskau.«
»Ei, ei, ei! Wie hat es Sie denn so weit weg verschlagen?«
»Das hat sich so ergeben. Es war nichts anderes frei, als ich von der Offiziersschule kam.«
»Aber dieses Tschernobob ist doch ein Nest! Das langweiligste Städtchen in ganz Podolien.«
»Stimmt schon, aber es hat sich eben so ergeben.«
»Dann fährt der junge Herr Offizier also jetzt nach K., um sich ein bißchen zu amüsieren?«
»Ja. Ich denke, ich werde zwei, drei Tage dort bleiben. Eigentlich fahre ich nach Moskau. Ich habe zwei Monate Urlaub, aber unterwegs möchte ich mir doch die Stadt ansehen. Es heißt, sie soll sehr schön sein.«
»Oh! Wem sagen Sie das! Eine bemerkenswerte Stadt! Ganz europäisch. Wenn Sie wüßten, was für Straßen es da gibt, und Elektrizität, und Trambahnen, und Theater! Und wenn Sie erst die Kaffeehäuser kennenlernen! Sie werden sich alle zehn Finger danach lecken. Ich rate Ihnen, junger Mann, gehen Sie unbedingt ins Château-de-Fleurs, unbedingt ins Tivoli, und fahren Sie auch einmal auf die Insel. Das ist was ganz Spezielles. Solche Frauen, sooolche Frauen!«
Der Leutnant errötete, schlug die Augen nieder und fragte mit zitternder Stimme: »Ja, ich hörte davon. Sind sie denn wirklich so hübsch?«
»Oho! Der Himmel soll mich strafen! Glauben Sie mir, hübsche Frauen gibt es dort überhaupt nicht.«
»Wieso das?«
»Ganz einfach: Dort gibt es nur Schönheiten. Verstehen Sie, das ist eine besonders glückliche Mischung: polnisches Blut, kleinrussisches und jüdisches. Wie ich Sie beneide, junger Mann, daß Sie frei und ledig sind. Seinerzeit hätte ich dort wohl aufzutreten gewußt! Am beeindruckendsten ist, daß die Frauen so
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