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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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decke ich auf.«
    Tamara beantwortet Shenjas Worte mit einem kaum merklichen Lächeln, fast ohne ihre Lippen zu bewegen, nur in den Mundwinkeln entstehen winzige, schelmische und zweideutige Grübchen, genau wie bei der Mona Lisa auf Leonardo da Vincis Bildnis.
    »Es wird so viel erzählt über die Nonnen … Na und, wenn auch mal eine Sünde vorkam …«
    »Wer nicht sündigt, der hat nichts zu beichten«, wirft Soja ernsthaft ein und feuchtet einen Finger im Munde an.
    »Du sitzt also und stickst, es flimmert dir vor den Augen von dem Gold, und vom Stehen bei der Morgenandacht tut dir der Rücken ganz schön weh, und die Beine tun weh, und abends ist schon wieder Gottesdienst. Du klopfst bei der Mutter Oberin an die Zellentür: ›Im Namen der heiligen Väter beten wir zu dir, Herrgott, erbarme dich unser!‹ Und die Oberin erwidert aus ihrer Zelle mit tiefer Stimme: ›Amen!‹«
    Shenja schaut sie eine Zeitlang aufmerksam an, schüttelt den Kopf und sagt mit Nachdruck: »Du bist ein komisches Mädchen, Tamara. Ich seh dich an und kann mich nur wundern. Ja, wenn solche dummen Dinger wie zum Beispiel Sonka ein Liebesverhältnis haben, das verstehe ich. Die sind eben dumm. Aber du, du bist ja wohl mit allen Wassern gewaschen, und trotzdem erlaubst du dir solche Albernheiten. Warum nähst du dieses Hemd?«
    Ohne Eile steckt Tamara den Stoff auf ihrem Schoß mit einer Nadel günstiger zurecht, glättet eine Naht mit dem Fingerhut und antwortet dann, ohne die zusammengekniffenen Augen zu heben, nur den Kopf leicht zur Seite geneigt: »Man muß doch was tun. Sonst ist's zu langweilig. Karten spielen kann ich nicht und will ich auch nicht.«
    Shenja schüttelt immer noch den Kopf.
    »Nein, du bist komisch, wirklich komisch. Von den Gästen kriegst du immer mehr als wir alle. So was von Dummheit, statt das Geld zu sparen, wofür gibst du es aus? Kaufst Parfüm für sieben Rubel die Flasche. Wer braucht denn so was? Jetzt hast du für fünfzehn Rubel Seidenstoff ergattert. Das ist für deinen Senka, ja?«
    »Natürlich, für Senetschka.«
    »Da hast du dir ja nen Schatz ausgesucht. Ein Dieb, der Unglücksrabe. Und kommt hier vorgefahren wie ein Feldherr. Paß nur auf, daß er dich nicht noch schlägt. Die Diebe, die tun das gern. Wahrscheinlich bestiehlt er dich auch?«
    »Mehr, als ich will, gebe ich ihm nicht«, antwortet Tamara sanft und beißt den Faden ab.
    »Siehst du, das wundert mich eben. Bei deinem Verstand und deiner Schönheit, da hätte ich mir längst einen von den Gästen geangelt, der mich aushalten könnte. Dann hättest du eigene Pferde und auch Brillanten.«
    »Jeder nach seinem Geschmack, Shenetschka. Du bist doch auch ein hübsches und liebes Mädchen und hast einen stolzen und kühnen Charakter, und trotzdem sind wir beide bei Anna Markowna gelandet.«
    Shenja fährt auf und erwidert mit ungeheuchelter Bitterkeit: »Ja! Eben! Du hast es gut! Du hast immer die besten Gäste. Du machst mit ihnen, was du willst, aber zu mir kommen ewig bloß Alte oder Säuglinge. Ich hab eben kein Glück. Die einen sind Sabbergreise, die anderen Grünschnäbel. Am wenigsten leiden kann ich die Jüngelchen. Da kommt so ein Scheißer, hat Angst, hat's eilig, zittert, und wenn er fertig ist, weiß er nicht, wo er hingucken soll vor Scham. Krümmt sich vor Ekel. Dann würd ich ihm am liebsten in die Fresse hauen. Bevor er seinen Rubel rausrückt, hat er ihn in der Tasche in seiner Faust gequetscht, der ist ganz warm, der Rubel, schweißig sogar. So ein Milchbart! Dem hat die Mutter jeden Tag zehn Kopeken fürs Wurstbrötchen gegeben, und er hat's gespart, damit er mal darf. Neulich hatte ich einen kleinen Kadetten. Zu dem hab ich absichtlich, um ihn zu ärgern, gesagt: ›Da, mein Lieber, da hast du 'nen Karamelbonbon für unterwegs, den kannst du lutschen, wenn du zum Korps zurückgehst.‹ Zuerst war er beleidigt, dann hat er ihn genommen. Ich hab ihm extra nachgeschaut von der Vortreppe aus: Als er rauskam, hat er sich umgeguckt nach allen Seiten, und dann fix den Bonbon in den Mund. Ferkel!«
    »Ach, mit den Alten ist es noch schlimmer«, sagt die Kleine Manka mit sanfter Stimme und blickt verschmitzt zu Soja. »Was meinst du, Sojenka?«
    Soja, die schon zu spielen aufgehört hat und gerade gähnen wollte, bekommt jetzt den Mund nicht zum Gähnen auf. Sie schwankt zwischen Ärger und Lachen. Sie hat nämlich einen ständigen Kunden, einen hochgestellten alten Mann mit perversen erotischen Gewohnheiten. Über seine

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