Das Syndikat der Spinne
eine Antwort von dir haben.«
»Ich brauche keine Stunde«, sagte Schulze. »Ich habe mich schon lange entschieden. Wenn ich jetzt aufhöre, kann ich in Zukunft im Archiv arbeiten. Mal sehen, ob wir uns dann noch diese Wohnung leisten können. Aber du willst mich nicht verstehen …«
»Nein«, schrie sie ihn an, »
du
willst
mich
nicht verstehen! Ich bindeine Frau, ich liebe dich, und Sabrina liebt dich auch! Und jetzt komm, bitte, mach keinen Quatsch und vergiss das alles.« Und nach ein paar Sekunden, mit sanfterer Stimme: »Bitte, tu’s uns zuliebe. Wenn du mich wirklich liebst, dann hör sofort auf. Ruf deinen Chef an, und nenn ihm die Gründe. Er wird es verstehen.«
Schulze lachte auf. »Der und verstehen?! Im Leben nicht. Die haben Unsummen investiert, damit ich diesen Job erledige, sie haben mir einen falschen Pass besorgt und andere illegale Sachen gemacht, und dafür wollen sie Ergebnisse sehen. Und die werde ich ihnen liefern. Claudia, glaub mir, es passiert mir nichts.«
»So, so, sie haben dir einen falschen Pass besorgt und so weiter, und so weiter. Und weshalb wissen dann einige Leute, wer du wirklich bist? Sag’s mir, du Schlaumeier! Die wissen, wo du wohnst, die kennen deine Telefonnummer, auch wenn wir gar nicht im Telefonbuch stehen, wahrscheinlich ist diese Wohnung sogar verwanzt. Komm, ich habe keine Lust mehr …«
»Claudia, du brauchst keine Angst zu haben, wirklich nicht …«
»Und weshalb sollen wir dann in ein Hotel ziehen?«, fragte sie scharf. »Weil es so ungefährlich ist? Oder willst du uns einfach nur ein paar schöne Tage gönnen, mir und Sabrina? Aber gut, ich werde gehen. Doch glaub bloß nicht, dass ich zurückkomme. Ich habe nämlich keine Lust, länger mit einem Verrückten zusammenzuleben. Die wievielte Drohung war das eigentlich schon? Die fünfte, die sechste? Du hast mir doch bestimmt nicht von allen erzählt, oder? Du bist verrückt, du bist verrückt im wahrsten Sinne des Wortes. Dich sollte man in eine Klapsmühle stecken!«
»Wenn du meinst«, erwiderte er, senkte den Kopf und presste die Lippen aufeinander. Seine Frau wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als er sie zurückhielt. »Claudia, warte bitte. In Ordnung, ich werde morgen mit Dominik sprechen und danach mit dem Chef. Vielleicht hast du ja tatsächlich Recht. Dann schreib ich eben ein Buch darüber. Unter Pseudonym natürlich. Die Informationen, die ich habe, füllen mit Sicherheit fünfhundert Seiten. Ich habe vorhin mit einem russischen Zahnarzt gesprochen, der von den Tschetschenenerpresst wird. Vielleicht schreibe ich das Buch mit ihm zusammen.«
Sie kam auf ihn zu und sah ihn zweifelnd an. »Ist das ein Versprechen?«
Er nickte. »Ich schwöre es bei Gott.«
»Sag ihnen einfach die Wahrheit. Sag, dass du massiv bedroht wirst und nicht das Leben deiner Familie aufs Spiel setzen willst. Jeder wird das verstehen, auch dein Chef.«
»Sicher«, erwiderte Schulze und nahm seine Frau in den Arm. »Ich liebe dich, und ich weiß, dass ich manchmal ein bisschen verrückt bin.«
»Ein bisschen?«, meinte sie lachend, obgleich ihr eher zum Heulen zumute war. »Komm, sag deinem kleinen Schatz gute Nacht.«
Er begab sich ins Kinderzimmer, wo seine Tochter Sabrina im Bett lag und ihn erwartungsvoll mit großen Augen ansah. Er beugte sich zu ihr hinunter, streichelte über ihr Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Schlaf schön, meine Kleine. Bis morgen.«
Dann ging er zurück ins Wohnzimmer und dachte einen kurzen Moment über das Telefonat und über die Auseinandersetzung mit seiner Frau nach. Er schenkte sich einen Cognac ein und schüttete ihn in einem Zug hinunter. Erst brannte es im Magen, im nächsten Moment aber überkam ihn ein leichtes, schwebendes Gefühl. Gut, ihr habt erreicht, was ihr wolltet, dachte er, doch ich werde ein Buch schreiben. Und dann pack ich euch bei den Eiern. Er trank noch einen Cognac. Seine Frau kam ins Zimmer, setzte sich zu ihm und legte ihren Kopf an seine Schulter. Sie nahm seine Hand und hielt sie fest.
Mittwoch, 20.35 Uhr
Als Hellmer das Auto in die Garage fuhr und von dort aus direkt ins Haus ging, kam ihm Nadine entgegen, umarmte ihn und gab ihm einen langen Kuss.
»Ich hab schon gedacht, du kommst gar nicht mehr«, sagte sie und sah ihn schmollend an. »Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt? Du bist spätestens um sechs zu Hause, hast du …«
»Kullmer und ich hatten was ganz Dringendes zu erledigen. Ich geh nur mal schnell ins Bad, Hände und
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