Das Syndikat der Spinne
meldete er sich.
»Herr Schulze?«, fragte eine ihm inzwischen bekannte männliche Stimme, hinter der sich ein anonymes Gesicht verbarg.
»Ja.«
»Hören Sie gut zu, ich sage es nur noch einmal. Die Serie, an der Sie schreiben, wird nicht erscheinen. Denken Sie an Ihre Frau und an Ihre Tochter. Sollte ich auch nur eine Zeile lesen, sind Sie ein toter Mann.«
»Wissen Sie was, Sie können mich mal«, erwiderte Schulze. »Ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern. Und meine Familie hat mit alldem nichts zu tun. Sie können gar nicht verhindern, dass die Serie erscheint, sie ist nämlich längst in Hamburg. Und abgesehen davon, es wäre mir auch gar nicht mehr möglich, das Ganze zu stoppen.«
»Es wäre Ihnen möglich, wenn Sie nur wollen würden, sie erscheintdoch erst in zwei oder drei Wochen. Es ist nur ein guter Rat von mir.«
»Stecken Sie sich Ihren Rat wer weiß wohin.«
»War das Ihr letztes Wort?«
»Sie haben es erraten.«
»Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend.«
Schulze hielt den Hörer noch lange in der Hand. Das Herz raste in seinem Brustkorb, er überlegte. Er hätte natürlich die Möglichkeit, die Serie zu stoppen, aber das würde gleichzeitig das Ende seiner Karriere bedeuten. Nein, sagte er zu sich selbst, ich lasse mich von denen nicht unterkriegen. Nicht von diesem Abschaum. Diese Serie wird mein Durchbruch. Ich werde es euch zeigen.
»Wer war das?«, fragte seine Frau Claudia, die, ohne dass er es bemerkt hatte, plötzlich hinter ihm stand und ihre Arme um ihn legte.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er, drehte sich um, fasste sie bei den Schultern und sagte mit eindringlicher Stimme: »Hör zu, ich möchte, dass ihr, du und Sabrina, für eine Weile von hier verschwindet. Am besten packen wir gleich alle Sachen, und ich bringe euch in ein Hotel.«
»Was?«, sagte sie überrascht, doch in ihrer Stimme klang ein eigentümlicher Unterton mit, den Schulze nicht deuten konnte. Sie löste sich von ihm und machte einen Schritt zurück. »Jetzt möchte ich wissen, was wirklich los ist? Ist es wegen dieser Serie? Wenn das so ist, dann …«
Er unterbrach sie mit einer Handbewegung. »Es ist meine Serie. Ich habe lange dafür recherchiert, ich habe mich dafür in Kreise begeben, in die ein Normalsterblicher sonst nie reinkommt. Ich habe Informationen, die so brisant sind, dass ich das alles jetzt unmöglich wegwerfen kann. Die Welt soll endlich erfahren, was wirklich gespielt wird.«
»Und dafür riskierst du das Leben deiner Familie?!«, fauchte sie ihn an und tippte sich an die Stirn. »Du tickst doch nicht ganz richtig! Was ist dir wichtiger, unser Leben oder diese verdammte Serie?Glaubst du denn im Ernst, du könntest damit irgendetwas bewegen? Die Leute lesen es und vergessen es gleich wieder. Und komm mir nicht schon wieder mit dieser Weltverschwörungstheorie! Ich habe endgültig die Schnauze voll! Wir waren bis jetzt glücklich und können es auch in Zukunft sein. Aber das geht nur, wenn du endlich begreifst, dass gewisse Leute keinen Spaß verstehen.« Sie schnaubte wütend, drehte sich um und stellte sich mit demonstrativ unter der Brust verschränkten Armen ans Fenster. Schulze kam zu ihr und legte seine Arme um sie. »Lass mich bitte los, ich mag das jetzt nicht. Du bringst dich und uns in Gefahr, ist dir das eigentlich klar?! Nein«, fuhr sie fort, »das ist dir eben nicht klar! Du bist so verbohrt, du glaubst anscheinend wirklich, unverwundbar zu sein! Aber du bist nur ein Mensch aus Fleisch und Blut. Und dort drüben liegt deine Tochter! Willst du etwa ihr Leben aufs Spiel setzen? Mein Gott, ich hätte das nie von dir gedacht. Sie ist erst ein Jahr alt!«
»Claudia, bitte. Es passiert weder mir noch euch auch nur das Geringste. Ich kann jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Bei der Zeitung wäre ich unten durch, und alle würden über mich lachen. Und ich habe Ideale, ich möchte, dass unsere Tochter in einer besseren Welt aufwächst …«
»Sag mal, spinnst du jetzt völlig?! Du meinst, du könntest die Welt verbessern, nur weil du eine Serie schreibst, über die in drei Wochen kein Mensch mehr spricht?« Sie hielt inne und sah ihn kopfschüttelnd an. »Du warst schon immer ein Querkopf, und ich glaube, das war mit ein Grund, weshalb ich mich in dich verliebt und dich geheiratet habe. Aber ich werde nicht zulassen, dass du unser Leben zerstörst. Du hast die Wahl, entweder diese Scheißserie oder Sabrina und ich. Ich gebe dir eine Stunde Zeit, dann will ich
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