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Das Syndikat der Spinne

Das Syndikat der Spinne

Titel: Das Syndikat der Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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aufgespannt standen sowie einige Liegen und Stühle und zwei Tische. Es war ein außerordentlich sauberes, gepflegtes Haus, aber es wirkte im Gegensatz zu einigen anderen Prachtbauten, die sie bisher betreten hatte, nicht steril, sondern strahlte eine ruhige, angenehme Atmosphäre aus.
    »Wollen wir nach draußen gehen oder lieber hier drin bleiben?«, fragte Frau Wiesner, die etwas kleiner als Durant war. Sie hatte rötlich braunes, bis leicht über die Ohren fallendes glattes Haar und grüne Augen. Ein paar Sommersprossen auf der Nase und den Armen unterstrichen die jugendliche Ausstrahlung. Die Kommissarin schätzte sie auf höchstens Anfang dreißig. Ihr Gesicht und ihr Hals waren faltenlos, und sie hatte schmale Hände mit langen grazilen Fingern und eine angenehme, warme Stimme. Sie trug ein bis zu den Knöcheln reichendes weit geschnittenes weißes Kleid und war barfuß. Julia Durant ließ ihren Blick schnell durch den Raum gleiten,registrierte die sicherlich kostbaren surrealistischen Gemälde an der Wand, den schwarz glänzenden Flügel mit dem hochgeklappten Tastendeckel, sowie ein paar Noten auf der Ablage. Einige hübsch arrangierte Grünpflanzen rundeten das Bild ab.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte sie.
    »Zu einem Glas Wasser sage ich nicht nein.«
    Sie setzten sich auf die schattige Terrasse an einen runden weißen Tisch.
    »Was kann ich für Sie tun, Frau …? Jetzt habe ich schon wieder Ihren Namen vergessen.«
    »Durant, Julia Durant.«
    »Ramona Wiesner«, erwiderte sie mit entschuldigendem Lächeln. »Also …«
    »Ich bin zum einen gekommen, um Ihnen mein Beileid auszusprechen, aber ich hätte gleichzeitig ein paar Fragen an Sie. Sind Sie dazu in der Lage?«
    Ramona Wiesner seufzte kurz auf, nahm ihr Glas in die Hand und drehte es zwischen den Fingern. »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt zu etwas in der Lage bin. Ich weiß nur, dass sich mein Leben seit gestern um hundertachtzig Grad gedreht hat. In eine Richtung, die ich so in meinen schlimmsten Albträumen nicht für möglich gehalten hätte. Ich muss und werde sicherlich irgendwann damit klarkommen, aber im Augenblick ist das alles noch so unwirklich. Wie ein böser Traum, wenn Sie verstehen. Gestern Vormittag hat sich Andreas, mein Mann, von mir verabschiedet wie immer, und dann …« Sie stockte. Ein paar Tränen traten ihr in die Augen. Sie stellte das Glas ab, nahm ein Taschentuch aus dem Päckchen, das auf dem Tisch lag, und tupfte die Tränen weg. »Entschuldigung, aber ich kann immer noch nicht glauben, dass er tot sein soll. Allein der Anblick, er und diese Frau, und beide nackt. Ich werde diesen Anblick wohl nie vergessen. Es war einfach zu schrecklich. Ich weiß nicht einmal mehr, was danach passiert ist.«
    »Sie haben die Polizei gerufen«, sagte Durant.
    »Ja, natürlich. Aber danach, es ist einfach weg. Ich habe die ganzeNacht kein Auge zugemacht und kann mich trotzdem an nichts erinnern.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Ja, zwei. Ich habe sie gleich gestern noch von meinen Eltern abholen lassen. Sie wohnen in Kronberg.«
    »Wie alt sind Ihre Kinder, wenn ich fragen darf?«
    »Sebastian ist sechs und Tanja vier. Sie sollen diesen ganzen Trubel nicht mitbekommen. Sie sind einfach noch zu klein dafür und würden es auch gar nicht verstehen. Meine Eltern kümmern sich gut um sie.«
    »Und Sie sind jetzt ganz allein in diesem großen Haus?«
    »Im Moment kann ich keine Menschen um mich herum ertragen. Ich möchte ein paar Tage lang niemanden sehen und sprechen. Ich habe sogar das Telefon ausgeschaltet. Sie glauben gar nicht, was gestern Abend und heute Morgen hier los war. Das Telefon hat ununterbrochen geklingelt, die Presse, mein Schwager, Freunde und Bekannte, ich hatte irgendwann einfach keine Lust mehr.«
    »Wenn Sie möchten, gehe ich wieder, und wir unterhalten uns ein andermal«, sagte die Kommissarin.
    »Nein, nein, so war das nicht gemeint«, erwiderte Ramona Wiesner müde lächelnd. »Sie stören mich nicht. Außerdem sind Sie doch bestimmt nicht grundlos gekommen.«
    »Ich möchte eigentlich nur etwas über Ihren Mann erfahren. Was für ein Mensch war er?«
    »Bis gestern habe ich geglaubt, er sei der wunderbarste Mensch der Welt«, antwortete sie mit abwesendem Blick. »Bis gestern habe ich in einer heilen, behüteten Welt gelebt. Warum hat er das getan?« Sie sah die Kommissarin traurig an. »Warum hat er mir und den Kindern das angetan? Was habe ich nur falsch gemacht, dass er mit einer andern Frau

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