Das Syndikat der Spinne
das organisierte Verbrechen zu einer Gefahr, die lange unterschätzt wurde. Obgleich die Polizei alles in ihrer Macht Stehende tut, um an die Hintermänner heranzukommen, so ist es im Augenblick doch noch nahezu unmöglich. Da wir selbst nicht genau wissen, wie stark die kriminellen Organisationen wirklich sind und auch die führenden Köpfe nicht kennen, kann ein gezielter Schlag zurzeit noch nicht durchgeführt werden. Allerdings gelingt es uns immer öfter, größere Drogendealer und auch Menschenschmuggler hinter Gitter zu bringen, und ich bin sicher, es wird der Tag kommen, an dem wir auch Zugriff auf die Drahtzieher dieser schmutzigen und widerwärtigen Geschäfte haben. Und es ist zweifellos ein schmutziges, menschenverachtendes System, das seit vielen Jahrzehnten in immer mehr Bereiche des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens vordringt. Aber wenn wir alle, Sie, meine Damen und Herren von den Medien, eingeschlossen, mithelfen, diesem System nicht nur den Kampf anzusagen, sondern diesen auch zu kämpfen, dann werden wir siegen, und dieses Land wird wieder lebenswert sein. Wir alle sollten nicht länger die Augen vor der Macht und dem Einfluss dieser verbrecherischen Organisationen verschließen, sondern alles in unserer Kraft Stehende tun, dass unser Land nicht länger von geldgierigen, machthungrigen Subjekten unterwandert wird. Ich selbst habe mich schon seit längerem dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen verschrieben und werde auch weiterhin in Zusammenarbeit mit der Polizei alles tun, um zumindest in Frankfurt die illegale Geschäftstätigkeit, ganz gleich auf welchen Gebietenauch immer, einzudämmen. Ich fordere Sie daher zur Mithilfe auf, denn wer besitzt heutzutage noch einen größeren Einfluss als die Medien? Da ich dieses Statement und diesen Aufruf unvorbereitet vorgebracht und deshalb keine statistischen Werte vorliegen habe, werde ich in den nächsten Tagen ein umfassenderes Statement abgeben. Wir werden Sie über den genauen Termin noch informieren. Vielen Dank für Ihre Geduld und auf Wiedersehen. Ich bitte Sie auch, jetzt keine weiteren Fragen zu stellen, da ich gleich noch einen sehr wichtigen Termin habe.«
Julia Durant warf Kuhn einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu. Der zuckte nur mit den Schultern und steckte seinen Kugelschreiber in die Hemdtasche. Die Journalisten verließen den Saal, Blumenthal stand auf, nickte Schenk und Durant zu und ging ebenfalls. Julia Durant zündete sich eine Gauloise an, lehnte sich zurück und dachte nach. Es war das erste Mal, dass sie von Blumenthal so etwas gehört hatte. Ich muss meine Meinung über ihn wohl revidieren, dachte sie und rauchte zu Ende.
Freitag, 15.00 Uhr
Daniel Laskin war in seiner Wohnung in der Schubertstraße und hatte das Notebook eingeschaltet. Er hatte das Gesicht von Helena Maric vor sich und erinnerte sich wieder an den Empfang, wo er sie gesehen hatte. Sie hatte eine ganze Weile irgendwie einsam und verloren an der Bar gesessen, mehrere Cocktails getrunken und sehr viel geraucht. Eine attraktive Frau mit einer herben Ausstrahlung, wie er damals festgestellt hatte. Irgendwann hatte sich ein Mann zu ihr gesetzt, und sie hatten sich sehr angeregt unterhalten. Er wusste nicht mehr, ob es sich bei dem Mann um den Gastgeber handelte, denn Laskins Aufgabe an diesem Abend bestand darin, sich mit einem Kontaktmann zu treffen. Und dann war noch ein weiterer Mann zu Helena Maric und dem andern gestoßen, dessen Namen er sogar kannte. Es handelte sichum einen hochrangigen Politiker, der fast jeden Tag in irgendeiner Zeitung zitiert oder über den berichtet wurde. Aber Laskin kannte nicht nur seinen richtigen Namen, sondern auch seinen Codenamen. Er wusste, dass er über die Zentrale mehr über ihn herausbekommen würde, wollte jedoch nicht riskieren, sich von seiner Wohnung aus in den Zentralcomputer einzuloggen. Er schaltete das Notebook aus und zog den Modemstecker aus der Telefonbuchse. Ihm war plötzlich ein Gedanke durch den Kopf geschossen. Er stand auf und blätterte auf der Suche nach einem Internetcafé in den gelben Seiten. Er fand eins in der Innenstadt, notierte sich die Adresse und verließ das Haus. Von unterwegs rief er vom Handy aus in Köln an.
»Hier Daniel«, sagte er, nachdem sich eine männliche Stimme gemeldet hatte. »Was ist mit der Lieferung heute Nacht nach Düsseldorf? Gibt es Probleme? … Wunderbar. Ich habe auch die beste Route ausgewählt, unsere Männer wissen alle Bescheid …
Weitere Kostenlose Bücher