Das Syndikat der Spinne
empfunden, den Planer zu verstecken.«
»Warum haben Sie mich nicht darüber informiert?«, fragte Durant mit sanfter Stimme. »Wir hätten das doch auf viel elegantere Art lösen können.«
»Wie das denn? Glauben Sie vielleicht, Thomas hätte Ihnen seinen Terminkalender freiwillig gezeigt? Da hätten Sie schon mit einem Durchsuchungsbefehl kommen müssen, und den hätten Sie auf Grund meiner Angaben niemals gekriegt. Ein bisschen kenne ich mich mit den Gesetzen auch aus. Bis Sie den Durchsuchungsbefehl gehabt hätten, hätte er längst die ihn belastenden Seiten verschwinden lassen, glauben Sie mir. Irgendwer hätte ihm vorher mitgeteilt, dass eine Hausdurchsuchung ansteht. Nein, ich musste ihn persönlich zur Rede stellen. Und das habe ich gestern getan.«
»Und bei der Gelegenheit haben Sie ihn mit Ihrer Smith & Wesson, Kaliber .22 erschossen.«
»Was weiß ich, welche Pistole ich genommen habe, es war mir auch ziemlich egal. Hauptsache, sie war geladen.« Ramona Wiesner schaute die Kommissarin an und fragte: »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich für ein paar Minuten aufstehe? Ich kann nicht mehr sitzen.«
»Bitte, ich habe nichts dagegen.«
Sie erhob sich, ging durch das kleine Büro, stellte sich ans Fenster und schaute gedankenverloren nach unten. Eine Weile sprach keiner ein Wort. Der Verkehrslärm drang bis nach oben und war selbst durch das geschlossene Fenster zu hören. Alles war an diesem Samstag zum Einkaufen nach Frankfurt unterwegs. Nach ein paar Minuten drehte sich Ramona Wiesner um und lehnte sich gegen die Fensterbank.
»Muss ich jetzt für den Rest meines Lebens ins Gefängnis?«, fragte sie.
Julia Durant schüttelte den Kopf und antwortete: »Nein, das glaube ich nicht, wenn es stimmt, was Sie mir sagen. Erzählen Siemir doch von gestern Nachmittag. Ich weiß, dass Sie nach der Beerdigung Ihres Mannes noch mit Ihrem Schwager und Ihrer Schwägerin in Bad Soden essen waren. Das stimmt doch?«
»Ja.«
»Und was haben Sie danach gemacht?«
»Ich bin nach Hause gefahren, weil mich die Beerdigung meines Mannes emotional doch mehr mitgenommen hat, als ich vorher geglaubt hatte. Und das ist die Wahrheit. Es ist schon ein seltsames Gefühl, vor einem Sarg zu stehen und zu wissen, dass darin der Mann liegt, den ich über alles geliebt habe. Nein, das ist falsch, ich liebe ihn noch immer. Es wird in meinem Leben nie wieder einen Mann wie ihn geben, das weiß ich, auch wenn ich noch recht jung bin. Andreas war einfach einmalig.«
»Was haben Sie gemacht, als Sie nach Hause gekommen sind?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
Julia Durant drückte die Stopptaste, stand auf und stellte sich zu ihr. »Das Band läuft jetzt nicht mit, Frau Wiesner. Meine Kollegen und ich waten im Augenblick durch einen riesigen Haufen Scheiße, entschuldigen Sie, aber ich kann es nicht anders ausdrücken. Sagen Sie mir, was Ihr Schwager getan hat, und dann werde ich entscheiden, was zu unternehmen ist. Aber ich verspreche Ihnen, ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen zu helfen. Doch dazu müssen auch Sie Ihren Teil beitragen. Ich möchte nicht mit ansehen müssen, wie Ihre Kinder ohne Mutter aufwachsen.« Sie ließ das Band weiterlaufen und sagte: »Wieso verstehen Sie meine Frage nicht? Was haben Sie gemacht, als Sie nach Hause gekommen sind?«
Ramona Wiesner musste unwillkürlich lächeln, als sie die Taktik von Julia Durant erkannte. »Ich habe beim Essen mitgekriegt, dass Thomas sich am Nachmittag noch mit einem Kunden in seinem Landhaus treffen wollte. Also bin ich hingefahren, habe gewartet, bis der Kunde, es waren übrigens zwei …«
»Waren es zwei Männer?«, wurde sie von Durant unterbrochen.
»Ja …«
»Haben Sie diese Männer schon mal zuvor gesehen?«
»Nein. Sie kamen in einem dunkelblauen Jaguar mit holländischem Kennzeichen und blieben ungefähr eine Stunde. Ich habe dann noch fünf oder zehn Minuten gewartet und bin zum Haus gefahren.«
»Wo standen Sie denn vorher?«, wollte die Kommissarin wissen.
»In einem kleinen Waldweg, von dem aus ich einen guten Blick auf das Haus hatte.«
»Ein dunkelblauer Jaguar mit holländischem Nummernschild, sagen Sie. An das Kennzeichen können Sie sich aber nicht mehr erinnern, oder?«
»Leider nein.«
»Gut, Sie haben also Ihren Schwager besucht. Erzählen Sie, was sich dann weiter abgespielt hat.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe Thomas zur Rede gestellt. Erst hat er alles abgestritten, aber dann auf einmal, als er es
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