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Das Syndikat der Spinne

Das Syndikat der Spinne

Titel: Das Syndikat der Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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missbrauchen. Ich erzähl dir nachher, was sie gesagt hat.«

Samstag, 9.25 Uhr
    Ramona Wiesner wurde in Handschellen hereingeführt. Julia Durant fuhr den Beamten wütend an: »Würden Sie Frau Wiesner bitte sofort die Handschellen abnehmen!«
    »Aber …«
    »Bitte!«
    Der Beamte kam ihrer Aufforderung umgehend nach und huschte nach draußen.
    Ramona Wiesner trug eine Jeans, eine langärmlige blaue Bluse und Turnschuhe. Sie rieb sich die Handgelenke und sah die Kommissarin dankbar an. Sie schien kaum geschlafen zu haben, die tiefen Augenringe waren noch tiefer und dunkler geworden. Die letzten Tage hatten unübersehbare Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Sie lächelte etwas verkniffen, als sie Julia Durant die Hand reichte und sich ihr gegenübersetzte. Doch trotz allem, was sie durchgemacht hatte, hatte sie nichts von ihrer Eleganz und Grazie eingebüßt, nichts von ihrem mädchenhaften Charme. Sie schlug dezent die Beine übereinander und faltete die grazilen Hände.
    »Guten Tag, Frau Wiesner«, sagte Durant und sah sie an. »Sie wollten mit mir allein sprechen. Ich stehe Ihnen zur Verfügung, doch ich muss das Band mitlaufen lassen, da dies eine offizielle Vernehmung ist.«
    »Danke, dass Sie gekommen sind.« Sie stockte und sah die Kommissarin aus ihren grünen Augen an, die so unendlich traurig wirkten.Für einen kurzen Moment kämpfte sie mit den Tränen, rang um Fassung, fing sich schließlich und fragte ein wenig verschämt: »Wäre es vielleicht möglich, etwas zu trinken zu bekommen? Ich verdurste fast.«
    »Möchten Sie auch etwas zu essen haben? Ich lasse Ihnen gerne was bringen.«
    »Ich will Ihnen keine Umstände machen …«
    »Blödsinn, wir sind doch hier nicht in der Ex-DDR oder den USA. Ein Brötchen mit Käse, Salami? Oder irgendetwas anderes?«
    »Mit Käse, bitte. Und einen Kaffee.«
    Julia Durant stand auf, ging zu Hellmer und bat ihn, für Ramona Wiesner zwei Käsebrötchen, eine Flasche Wasser und einen großen Becher Kaffee zu holen. Sie schloss die Tür wieder, setzte sich hinter den Schreibtisch und drückte auf die Aufnahmetaste des Bandgeräts.
    »Um diese Zeit vor einer Woche hat mein Mann noch gelebt. Und ich bin sicher, er hat da noch nicht einmal geahnt, dass er schon wenige Stunden später …« Ramona Wiesner hatte die Hände noch immer gefaltet und schloss kurz die Augen. Ein paar Tränen lösten sich und liefen ihr übers Gesicht. »Es wird wohl noch lange dauern, bis ich das alles verarbeitet habe. Das Haus ist so leer, ich meine, die Kinder sind nicht da, aber auch wenn sie es wären, es würde keinen großen Unterschied machen. Ich bin einfach nur mit den Nerven fertig.« Sie zog ein Papiertaschentuch aus der Jeanstasche und wischte die Tränen ab.
    »Frau Wiesner, Sie wurden heute Nacht verhaftet. Meine Frage ist, haben Sie Ihren Schwager Thomas Wiesner erschossen?«
    Ramona Wiesner zögerte keine Sekunde mit der Antwort, sah der Kommissarin direkt in die Augen und nickte. »Ja, ich habe ihn erschossen.«
    »Warum haben Sie es getan?«
    »Weil es keinen anderen Weg gab. Er hat seinen eigenen Bruder, meinen Mann, töten lassen. Und dafür musste er büßen. Und er hat nicht nur meinen Mann, sondern auch Frau Maric und Frau Puschkinauf dem Gewissen. Und wer weiß, wie viele Menschen außerdem noch. Ich empfinde keine Reue, falls Sie das wissen wollen. Wer so kaltblütig ist, hat nichts anderes als den Tod verdient.«
    »Wie haben Sie herausgefunden, dass Ihr Schwager hinter den Morden steckt? Oder nein, erzählen Sie mir einfach etwas über Ihren Schwager. Was für ein Mensch er war, etwas über Ihr Verhältnis zu ihm und so weiter.« Durant lehnte sich zurück und beobachtete die ihr gegenübersitzende Frau, für die sie sehr viel, vielleicht sogar zu viel Sympathie empfand, schon seit dem ersten Mal, als sie sie gesehen hatte. Sie ist nie im Leben eine kaltblütige Mörderin, dachte die Kommissarin und betrachtete Ramona Wiesner. Sie ist höchstens verzweifelt oder völlig durcheinander.
    »Soweit ich weiß, habe ich Ihnen schon einmal gesagt, dass wir kein sonderlich gutes Verhältnis hatten …«
    »Ich erinnere mich daran. Ich würde aber gerne ein paar Details wissen. Weshalb zum Beispiel das Verhältnis getrübt war.«
    »Thomas war ein erfolgreicher Banker, er war angesehen, kannte eine Menge einflussreiche Leute, und … Ach, wissen Sie, ich werde ganz ehrlich zu Ihnen sein, ich weiß nicht sonderlich viel von ihm. Wir haben uns nur selten gesehen, auch wenn nach

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