Das Syndikat der Spinne
hinzu. »Machen Sie’s gut, und wir telefonieren. Auf Wiedersehen. Ach ja«, sie drehte sich noch einmal um, »Ihr Mann hatte übrigens keinen Geschlechtsverkehr mit dieser Dame. Das hat unser Rechtsmediziner auch eindeutig herausfinden können. Und noch etwas – sprechen Sie vorläufig mit niemandem, aber auch wirklich niemandem über diese Vermutung. Nicht einmal mit Ihren besten Freunden oder Ihren Verwandten. Es muss erst mal unter uns bleiben. Jetzt muss ich aber wirklich gehen.«
»Ich verspreche es Ihnen. Und danke für alles. Kommen Sie gut heim«, sagte Ramona Wiesner. Sie wartete, bis Durant in ihren Corsa eingestiegen war, und ging zurück ins Haus. Dort legte sie sich auf die Couch, schloss die Augen und dachte über das Gespräch nach.
Sonntag, 21.45 Uhr
Julia Durant rief auf der Fahrt zurück nach Frankfurt Dominik Kuhn auf dem Handy an.
»Kuhn.«
»Dominik, wo bist du? Hier ist Julia.«
»Noch in der Redaktion. Warum?«
»Tu mir einen Gefallen. Wenn du mich wirklich liebst, dann stopp die Story über Wiesner.«
»Das kann ich nicht. Das Ding ist durch und geht in ein paar Minuten in Druck. Was ist auf einmal los?«
»Hör zu, ich weiß, es ist deine Story, aber lass dir eine andere einfallen oder schreib die Geschichte von mir aus um, aber erwähne um Himmels willen nicht, dass Wiesner erst seine Geliebte und dann sich selbst umgebracht hat.«
»Und warum nicht?«
»Das erklär ich dir alles nachher. Aber wenn du jetzt eine reißerische Story bringst, kannst du ’ne Menge verlieren. Tu’s mir und auch dir zuliebe. Schreib einfach nur, dass ein bekannter Juwelier und eine bislang unbekannte Frau tot aufgefunden wurden und die Hintergründe noch im Dunkeln liegen. Nicht mehr und nicht weniger. Auch kein Foto von Wiesner oder dieser Puschkin. Okay?«
»Und wie soll ich das meinem Chef erklären?«, fragte Kuhn ärgerlich.
»Was glaubst du, was ich meinem Chef schon alles erklären musste. Du bist der Profi, was das Schreiben angeht. Du hast doch sicher noch irgendwas anderes in petto.«
»Aber …«
»Machst du’s jetzt, oder machst du’s nicht? Es könnte nämlich sein, dass eine ganz heiße Sache dahinter steckt. Und du wärst der Erste, der’s erfahren würde, das heißt, du würdest die Exklusivstory kriegen. Ist das ’n Deal?«
»Ich hoffe wirklich, dass du mir hier keine Märchen auftischst.Okay, ich stopp die Story und schreib sie um. Aber nachher will ich haarklein von dir erzählt kriegen, was du weißt. Klar?«
»Zu Befehl. Wann kommst du?«
»Es wird jetzt noch ein bisschen dauern. Gegen elf.«
»Dann bis nachher.«
Durant grinste, als sie auf die Aus-Taste drückte. Sie wusste, sie konnte sich auf Kuhn verlassen. Er war eben doch anders als die Männer, die sie bisher kennen gelernt hatte. Sie hielt an einer Tankstelle, um sich eine Schachtel Zigaretten zu kaufen, und zündete sich während der Fahrt eine an. Es war kurz nach zehn, als sie wieder zu Hause war. Sie stellte ihre Tasche ab, griff zum Telefon und wählte Bocks Nummer. Er war noch wach.
»Tut mir Leid, dass ich so spät noch störe, aber wenn Sie morgen die Autopsie von Wiesner und Puschkin vornehmen, dann schauen Sie doch mal nach, ob Sie Druckstellen, die auf leichte oder auch mittelschwere Gewaltanwendung hindeuten könnten, an Wiesners rechter Hand oder seinem Arm finden.«
»Und warum?«
»Weil der angebliche Selbstmord vermutlich nur fingiert war. Es wird immer wahrscheinlicher, dass wir es mit einem Doppelmord zu tun haben. Deshalb bitte ich Sie darum.«
»Also gut, ich tu, was in meinen Möglichkeiten steht.«
»Danke, und gute Nacht.«
»Nacht.«
Sonntag, 23.00 Uhr
Julia Durant hatte sich frisch gemacht und eine Dose Bier aus dem Kühlschrank geholt. Sie betrachtete das Foto, das Wiesner mit seiner Frau zeigte, und legte es danach auf den Tisch. Kuhn klingelte um kurz vor elf.
»Erklärung!«, sagte er mit fordernder Stimme und stürmte an ihr vorbei ins Zimmer. »Ich hab mir eben verdammt viel Ärger eingehandelt,und ich hoffe für dich, dass es nicht umsonst war. Also, was gibt es?« Er holte sich ebenfalls eine Dose Bier und trank sie in einem Zug leer.
»Nicht böse sein, okay?«, sagte Durant und setzte sich neben ihn.
»Das kann ich erst entscheiden, wenn ich alles weiß. Also?«
»Aber das, was ich dir jetzt sage, muss vorläufig unter uns bleiben. Das musst du mir versprechen.«
»Ehrenwort.« Kuhn hob die Hand zum Schwur.
»Als du mir das heute Morgen von Wiesner erzählt
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