Das Syndikat der Spinne
Prostituierten zu tun? Und warum waren sie nackt? Und warum betrunken? Vielleicht doch Selbstmord? Aber weshalb? Noch sprachen Kopf und Bauch zwei verschiedene Sprachen, allerdings entstand allmählicheine Verbindung. Während sie in Gedanken versunken auf den Swimmingpool sah, kam Ramona Wiesner aus dem Haus. Durant drehte sich um.
»Hier hab ich’s. Lesen Sie, Sie können wahrscheinlich mehr damit anfangen.« Sie reichte der Kommissarin die Papiere.
»Eine 9 mm Walther und eine 22er Smith & Wesson«, murmelte sie nachdenklich. »Das sind die einzigen beiden Waffen, die Sie besitzen?«
»Ich denke schon.«
»Sie haben nie etwas von einer 9 mm Beretta gehört?«
»Nein, der Name sagt mir nichts. Warum?«
»Weil sich Ihr Mann mit einer solchen Pistole erschossen hat.«
»Ich höre von dieser Waffe zum ersten Mal.« Und nach einer kurzen Pause: »Wer ist eigentlich diese Frau?«
»So weit uns bis jetzt bekannt ist, eine Prostituierte.«
Ramona Wiesner lachte schrill auf. »Mein Mann und eine Prostituierte?! Mein Gott, ich hätte alles für möglich gehalten, aber nicht so etwas. Das wird ja immer schöner!«
»Haben Sie Fotos von Ihrem Mann?«
»Natürlich.«
»Würden Sie mir ein paar davon zeigen?«
»Gehen wir ins Haus.«
Julia Durant folgte ihr in das geräumige Wohnzimmer, dessen Fußboden aus naturbelassenem Marmor bestand, der hier und da mit erlesenen Brücken belegt war. Sie setzte sich in einen beigefarbenen Ledersessel. Ramona Wiesner holte aus einer Schublade des Chippendale-Sekretärs ein Album, legte es auf den Tisch und blätterte die erste Seite um.
»In diesem Album sind nur Bilder neueren Datums.« Einige zeigten Andreas Wiesner mit seinen Kindern, andere mit seiner Frau, auf einem waren alle vier zusammen zu sehen. Auf den Fotos machte er einen sympathischen, unbeschwerten Eindruck.
»Dieses hier wurde vor etwa einem Jahr auf einem Sommerfest aufgenommen«, sagte sie und deutete auf ein Foto. Er hatte einenArm um seine Frau gelegt, in der andern Hand hielt er ein Glas Saft. Ramona Wiesner wollte gerade weiterblättern, als die Kommissarin sie leicht an der Hand berührte.
»Einen Moment bitte«, sagte sie. Sie betrachtete das Bild eingehend und fragte schließlich: »Dürfte ich mir dieses Bild für ein paar Tage ausleihen? Sie bekommen es garantiert zurück.«
»Gerne. Aber weshalb …«
»Das kann ich jetzt noch nicht erklären, aber … Doch, doch, doch! Moment, gleich hab ich’s.« Sie überlegte, ließ den Nachmittag in der Rechtsmedizin Revue passieren, das Gesicht des toten Wiesner. Sie versuchte sich an die Tatortfotos zu erinnern, was ihr teilweise gelang.
»Sagen Sie, war Ihr Mann Rechts- oder Linkshänder?«
Ramona Wiesner sah die Kommissarin verwundert an und antwortete nach einer Weile: »Ich habe zwar keine Ahnung, warum Sie das wissen möchten, aber er war Linkshänder. Irgendwann habe ich sogar mal zu ihm gesagt, die rechte Hand hat er wohl nur zur Zierde. Er konnte mit der rechten Hand überhaupt nichts anfangen, außer Taschen tragen oder mit Müh und Not einen Ball fangen.«
Julia Durant wurde immer nervöser, was auch Ramona Wiesner nicht entging. »Ist Ihnen nicht gut?«
»Nein, nein, es geht schon. Ich muss nur ein paar Dinge in meinem Kopf sortieren. Sie sagen, Sie haben eine glückliche Ehe geführt, Ihr Mann hat nie auch nur einen Tropfen Alkohol angerührt, und er war Linkshänder. Hat Ihr Mann sich in letzter Zeit in irgendeiner Weise auffällig gezeigt? Ich meine, war er vielleicht etwas nervöser als sonst, introvertierter oder einfach nur stiller als gewöhnlich?«
Ramona Wiesner überlegte, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Es entstand eine Pause, während der keiner ein Wort sprach. Schließlich meinte sie: »Wenn ich es mir recht überlege, dann hat er sich schon ein wenig verändert. Er war ruhiger, doch zu gewissen Zeiten auch etwas aufbrausender als die Jahre zuvor,aber nicht wie Sie vielleicht denken. Dazu muss ich Ihnen vorher genau erklären, wie er sich sonst verhalten hat. Er war, seit wir uns kannten, immer die Ruhe in Person. Er wurde nie laut oder ungehalten, er hatte ein absolut ausgeglichenes Naturell. Natürlich haben wir auch mal gestritten – wer tut das nicht? –, doch es waren nie heftige, lang andauernde Auseinandersetzungen. Und er hat niemals die Hand gegen die Kinder, geschweige denn gegen mich erhoben. Aber seit etwa einem Jahr, genau will ich mich da nicht festlegen, war er einerseits mehr in
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