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Das Syndikat der Spinne

Das Syndikat der Spinne

Titel: Das Syndikat der Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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erblickte, erhob er sich und kam auf sie zu. Er lächelte, reichte ihrdie Hand und sagte: »Guten Morgen, Frau Durant. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Es wird in wenigen Augenblicken beginnen.«
    Sie war irritiert von Küchlers Art, kannte sie ihn sonst doch nur als sehr distanziert, kurz angebunden und bestimmend. Seit vorgestern Nacht allerdings verhielt er sich ihr gegenüber wie umgewandelt. Wahrscheinlich, dachte sie, hat ihn der Einsatz am Montag beeindruckt, und er hat seine Meinung, was die Polizeiarbeit betrifft, revidiert. Mir soll’s nur recht sein.
    Sie erwiderte seinen Gruß und ging mit ihm zu den andern.
    »Hallo, Frau Wiesner«, sagte sie und schüttelte ihr die Hand. Ramona Wiesner machte ein freundliches und doch leicht gequältes Gesicht. Die Anspannung war ihr deutlich anzumerken, was nicht verwunderlich war in Anbetracht der Situation, in der sie sich befand. Die Kommissarin wollte noch Dr. Schmitz begrüßen, als die Tür aufging und sie in den Saal gerufen wurden. Richter Henkel saß allein auf dem Podium, sortierte noch einmal die Akten und blickte auf, als die Angeklagte, ihr Verteidiger, Küchler und Durant hereinkamen.
    Henkel war ein klein gewachsener, hagerer Mann Ende fünfzig, den so leicht nichts mehr aus der Ruhe brachte. Durant kannte ihn, seit sie in Frankfurt war, und er gehörte für sie zu jenen wenigen Richtern, die auch mal Züge von Menschlichkeit zeigten. Seine wachen Augen blitzten auf, und er deutete auf die Stühle, die links und rechts vom Gang hinter den Tischen standen. Küchler nahm auf der rechten Seite Platz, Schmitz und Ramona Wiesner auf der linken. Julia Durant setzte sich auf die erste Bank.
    »Also gut«, begann Henkel. Er hatte die Hände gefaltet und blickte in die Runde. »Sind alle anwesend?«
    »Ja, Euer Ehren«, antwortete Küchler und erhob sich.
    »Bleiben Sie bitte sitzen«, sagte Henkel, machte ein leicht unwirsches Gesicht sowie eine entsprechende Handbewegung und fuhr mit seiner typisch trockenen und doch nicht humorlosen Art fort: »Wie Sie wissen, ist dies nur eine Art Vorverhandlung, die laut Dr. Küchler dazu dienen soll, den Tathergang und das Tatmotiv, was denMord an Thomas Wiesner betrifft, mir etwas näher zu bringen. Die Hauptverhandlung wird in drei Wochen stattfinden, und zwar am Mittwoch, den 19. Juli 2000, und die Verhandlungsdauer ist vorläufig auf drei Tage angesetzt. Die Schuldfrage scheint, so weit ich das aus den Akten entnehmen kann, geklärt, aber da Dr. Küchler mich gestern so dringend um diesen Termin heute gebeten hat, habe ich mich bereit erklärt, Ihnen eine halbe Stunde lang mein Ohr zu leihen. Deshalb möchte ich Sie sehr darum bitten, sich in Ihren Ausführungen so kurz und prägnant wie möglich zu halten. Jetzt überlasse ich es Ihnen, wer beginnt.«
    Schmitz erhob sich, knöpfte sein Jackett zu und sagte: »Dr. Henkel, ich habe selbst erst gestern Nachmittag von diesem Termin erfahren und kann gar nichts weiter dazu sagen. Ich denke, Dr. Küchler wird einen triftigen Grund haben, weshalb wir uns hier und heute eingefunden haben.«
    Nachdem Schmitz sich wieder gesetzt hatte, stand Küchler auf und sagte: »Dass ich um diesen Termin gebeten habe, hat allerdings einen sehr triftigen Grund. Über den Tathergang möchte ich eigentlich nichts weiter bemerken, denn er ist eindeutig. Ich habe mich am Samstag mit der angeklagten Frau Wiesner länger unterhalten können, wobei in mir der Eindruck entstand, dass sie fest überzeugt ist, ihr Schwager sei für den Tod ihres Mannes verantwortlich.« Küchler hielt inne, sah erst den Richter, dann Ramona Wiesner an und fuhr fort, nachdem er sich geräuspert hatte: »Anfangs hielt ich diesen Vorwurf für absolut unhaltbar und machte auch gegenüber Hauptkommissarin Durant deutlich, dass ich keinen Anlass sehe, nachgiebig mit Frau Wiesner zu verfahren. Allerdings habe ich zwischenzeitlich herausgefunden, dass es in der Tat einen Grund für Frau Wiesners Verhalten geben könnte, und den möchte ich hier kurz erläutern.«
    Er machte erneut eine kurze Pause, holte ein Blatt Papier aus einem Ordner und legte es auf den Tisch. Schmitz drehte sich zu Durant um und sah sie fragend an, doch sie zuckte nur mit den Schultern und zog die Mundwinkel nach unten.
    »Frau Wiesners Mann, Andreas Wiesner, wurde am 17. Juni dieses Jahres zusammen mit Frau Irina Puschkin ermordet. Die Tat sollte wie Mord und Selbstmord aussehen, doch es ist ausschließlich Hauptkommissarin Durant zu verdanken,

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