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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auch nichts von den Ameisen, die in jener schrecklichen Nacht aus Madelines Wunden gekrochen waren, selbst dann nicht, wenn man mich indirekt nach ihrem Tod fragte. Schließlich wollte ich, dass diese skeptischen, rational denkenden Männer mir glaubten, dass ich den Mann – oder das Wesen – gesehen hatte, der oder das Laurel Werling ermordet hatte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich mir nur selbst schaden würde, wenn ich auch die fantastischer klingenden Details in meine Erzählung einfließen ließ, von denen nicht einmal ich wusste, ob sie nun real waren oder ob ich sie mir nur eingebildet hatte und die außerdem nichts zur aktuellen Sache beitrugen. Also ließ ich sie lieber unerwähnt. Aber gebracht hat es mir überhaupt nichts. Sie glaubten mir auch so kein Wort. Die Krankenhausverwaltung fragte bei der Firma Luv Kraft nach und erhielt die Auskunft, dass sie ihre Angestellten spätestens mit fünfundsechzig Jahren in den Ruhestand schickte und dass dort momentan kein Kammerjäger arbeite, der älter als fünfundfünfzig sei. Am Tag, an dem Laurel Werling starb, habe die Firma zwei Teams ins Kingdom Hospital geschickt, von denen niemand über zweiundvierzig Jahre alt gewesen sei.
    Diese Männer hätten ausschließlich im Keller an den Stellen gearbeitet, wo seit dem Erdbeben verstärkt Ungeziefer aufgetreten war. Keiner der Angestellten von Luv Kraft sei in einem der oberen Stockwerke des Krankenhauses, geschweige denn in der psychiatrischen Abteilung, im Einsatz gewesen.
    Und was mysteriöse, alte und hagere Ärzte in weißen Kitteln anbetraf, so war der älteste Arzt im Krankenhaus ein gewisser Dr. Louis Traff, den ich nur vom Sehen kannte. Er war leicht übergewichtig und ähnelte in keinster Weise der bis aufs Skelett abgemagerten Gestalt, die ich im Aufzug gesehen hatte.
    Nach Rückfragen bei der Pforte (Otto) und der Personalabteilung (Karen) erklärte mir Dr. Massingale, dass am fraglichen Tag auch kein auswärtiger Arzt über siebzig das Krankenhaus besucht habe und dass Karen sich auch nicht erinnern könne, dass irgendein Arzt, auf den meine Beschreibung zutreffen könnte, in letzter Zeit bei ihr vorstellig geworden sei.
    Obwohl sie peinlich vermieden, es auszusprechen, schienen sie sich alle darin einig, dass ich entweder komplett übergeschnappt sei oder wieder einen meiner komplexen Fokalanfälle gehabt haben müsste. Laut Bobby war ich bereits das Gespött des ganzen Krankenhauses, und irgendwelche Witzbolde hatten dem »Geist«, den ich gesehen haben wollte, schon den Spitznamen »Dr. Rattentod« verpasst.
    Anstatt zuzugeben, dass Laurel Werlings Tod zumindest einige Fragen aufwarf, bastelten sich die Ermittler eine Arbeitshypothese zurecht, nach der sich Mrs. Werling in ihrer Stellung als erfahrene Krankenschwester auf der Psychiatrie genügend Coumadin beschafft habe, um sich damit umzubringen. Entweder – so sagten sie – hatte sie es schon über längere Zeit gehortet, oder sie hatte es sich – so unwahrscheinlich das auch klingen mochte – erst kürzlich beschafft, während sie auf der psychiatrischen Station wegen ihrer akuten Psychose behandelt wurde.
    Was den schrecklichen alten Mann betraf, dessen Gesicht ich bis heute in meinen schlaflosen Nächten vor mir sehe, so existierte er für die Ermittler nur in meinem Schläfenlappen, wo er wie Frankensteins Monster durch elektrische Entladungen zum Leben erweckt worden war – nur dass es in meinem Fall ein synaptischer Blitz war, der irgendwo im Spukschloss meines alten Gehirns eingeschlagen hatte. 
    Selbst Bobby schlug sich schließlich auf die Seite des Feindes. Einige Tage nach Laurels Beerdigung brachte er mir ein Usambaraveilchen mit hübschen lila Blüten, und gerade als ich dachte, wie lieb er doch manchmal sein konnte, sagte er:
    »Hoffentlich helfen dir die Blumen, an etwas anderes zu denken als an deine Geister, Mom.«
    »Die arme Laurel«, sagte ich und konnte meine Tränen nicht zurückhalten.
    »Mom, es war nicht deine Schuld. Sie war plemplem, deshalb hat sie sich selbst das Licht ausgeknipst.«
    »Nein, Bobby. Laurel Werling war nicht plemplem. Sie war genauso im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte wie alle anderen hart arbeitenden Schwestern im Kingdom Hospital auch. Das, was wir in der Nacht von Madeline Krugers Tod gesehen haben, hat Laurel Werling in den Wahnsinn getrieben. Und wenn ich nicht aufpasse, geht es mir vielleicht bald genauso wie ihr, Bobby.«

DIE BEHANDLUNG
    Seit vielen Jahren schon war ich hin

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