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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und wieder Patientin bei Dr. Lona Massingale gewesen – einem wundervollen Menschen und einer nüchternen Neurologin, die mich wegen Tinnitus und gelegentlichen Kribbelns in meinen Gliedmaßen behandelt hatte. Bei ihr hatte ich auch jenen Übergangsritus über mich ergehen lassen, der heutzutage quasi das Klimakterium der modernen amerikanischen Gesellschaft darstellt: den Minimental-Gedächtnistest zur Früherkennung von Alzheimer. Ich bestand ihn mit Bravour und kann mich noch gut daran erinnern, dass mich Dr. Massingale damals gefragt hat, ob ich nicht mein Gedächtnis gegen ihres eintauschen wolle.
    Dr. Massingale nahm sich immer Zeit, um mir alle meine Fragen zu beantworten und meine alternativen Heilverfahren in ihren Behandlungsplan mit einzubeziehen. Aber als sie mir nach meinem Erlebnis mit Dr. Rattentod ihre Diagnose mitteilte und mir eröffnete, welche Medikamente sie mir verordnen wollte, konnten mich auch ihre einfühlsamen Erklärungen nicht beruhigen. Sie empfahl mir wegen der offensichtlich weiterhin auftretenden epileptischen Anfälle die erneute Einnahme von täglich zweimal 100 Milligramm Scyllazin. Und damit ich nicht wieder unter, wie sie es nannte, Apraxie und Dysphorie litt – jenen unangenehmen Nebenwirkungen, die dazu führten, dass mir alles gleichgültig wurde –, verschrieb sie mir noch Charybdisol, 100 Milligramm zweimal täglich, also eigentlich genau die Medikamentenkombination, die mir Dr. Metzger in Boston empfohlen hatte.
    Fast hätte ich wider besseres Wissen vermutet, dass die Ärzte alle unter einer Decke steckten und einem von der Pharmaindustrie finanzierten Geheimbund angehörten, in dem sie ihre Behandlungen, Diagnosen und Verschreibungen miteinander absprachen. Angesichts dieser weltumspannenden Verschwörung war die Meinung eines zweiten Sachverständigen ungefähr so viel wert wie die Empfehlung einer Investmentfirma, die nach sorgfältiger »Untersuchung«
    ihren arglosen Kunden genau die Aktien empfiehlt, die sie selbst verkauft. Genauso gut könnte man auch einen Maoisten nach seiner unabhängigen Meinung zur Mao-Bibel fragen.
    Während der nächsten Monate suchte ich Dr. Massingale mehrmals im Kingdom Hospital auf. Die offizielle Diagnose nach meinem Aufenthalt in Boston lautete:
    Gehirnerschütterung, Gehirnquetschung und leichte Gehirnblutungen im rechten Temporallappen mit einem geringgradigen Herdgeschehen, das sich aber nur im EEG zeigte. Eines Tages verkündete mir Dr. Massingale die gute Nachricht, dass ich vermutlich nicht zu weiteren Gehirnaufnahmen nach Boston fahren müsste, weil die großzügige Erweiterung der neurologischen, neurochirurgischen und neurowissenschaftlichen Abteilungen des Kingdom Hospital jetzt kurz vor dem Abschluss stand. Ein neuer Magnetresonanztomograph war beschafft worden, und man hatte weder Kosten noch Mühen gescheut, um einige der besten Neurologen des Landes für die neue Abteilung anzuwerben.
    Dr. Massingale klärte mich darüber auf, dass meine Beschwerden für einen Menschen meines Alters, der gerade ein schweres Hirntrauma erlitten hatte, ganz normal seien und mit der Zeit verschwinden würden. Ich wollte mich mit den vom gesamten medizinischen Kosmos unisono geäußerten Diagnosen ebenso wenig zufrieden geben wie mit den fadenscheinigen Erklärungen für Madeline Krugers und Laurel Werlings Tod, aber die Medikamente raubten mir viel von meiner gewohnten Energie. So ertappte ich mich oft dabei, dass ich in Untätigkeit verharrte und mich fragte, ob es überhaupt der Mühe wert war, mir Aufzeichnungen zu machen und weitere Nachforschungen anzustellen.
    Weil im Haus der Krugers nie jemand den Hörer abnahm, vermutete ich, dass sie ein Telefon mit integrierter Anruferkennung hatten und meine Nummer einfach ignorierten. Ich überlegte kurz, ob ich sie von der Telefonzelle aus dem Krankenhaus anrufen sollte, ließ es dann aber doch sein. Denn was hätte ich schon sagen sollen? Ausgetrickst!?
    Bobby zufolge waren Madelines drei Kinder gerade in Lewiston, um das Haus zu verkaufen und sich ihren Anteil an der bescheidenen Erbschaft zu sichern. Ich schrieb ihnen zwei Briefe – einen, in dem ich ihnen mein Beileid aussprach, und einen zweiten, in dem ich sie fragte, ob Mrs. Kruger mir irgendwelche Papiere oder Andenken an unsere Freundschaft hinterlassen hätte. Beide Briefe blieben unbeantwortet. Bobby erzählte mir, dass Madelines älteste Tochter Hilda, die als Nachlassverwalterin ihrer Mutter fungierte, ihre Geschwister ganz

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