Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
schneiden. Die sind alle erstickt.«
Wenn nur die Hälfte von der Hälfte stimmt, was Debbie erzählt, dann möchte ich es lieber nicht wissen. Wozu auch?
Ein Windstoß fährt durch das Feuer, Asche rieselt vom Himmel. Panik durchfährt mich. Ich ziehe die Kapuze über den Kopf.
»Über fünfhundert Tote. Und es heißt, ihre Haut sieht aus wie verbrannt. Aus dem Nichts kam die Wolke und verschwand wieder im Nichts. Was, wenn sie hier auftaucht?«
Mir wird schlagartig übel. Marshmallows mit Senf. Welcher Idiot ist nur auf die Idee gekommen?
In meinen Ohren beginnt es zu rauschen, ein lang anhaltender Ton. Ich springe auf und beginne, meinen Körper abzuklopfen. Ameisen, schießt es mir durch den Kopf. Überall Ameisen. Sie krabbeln über meinen Körper. Wie kann ich sie wieder loswerden? Ich wage nicht zu atmen, und wenn ich den Mund öffne …
»Alles okay?«, höre ich eine Stimme direkt an meinem Ohr. »He, Ben, alles klar?«
Vor meinem inneren Auge erscheint ein heller Punkt, der immer größer wird. Wie ein Objektiv, das eine Vergrößerung nach der anderen einstellt. Und mir die Details der Umgebung zeigt. Augen, die mich anstarren. Und ich sitze noch an derselben Stelle wie zuvor. Nichts hat sich verändert. Außer, dass an Debbies Mund ein Rest von einem Marshmallow klebt. Es sieht aus, als hätte sie vor Aufregung geschäumt.
»Bin wohl kurz eingenickt«, lache ich. »Und das, obwohl es gerade so spannend war.«
»Achtet nicht auf den«, giftet Debbie. »Er hat seine Medikamente abgesetzt. Nicht mehr lange, und er wird weiße Mäuse sehen.«
Woher, verflucht noch mal, weiß Debbie das mit meinen Medikamenten? Ich habe niemandem davon erzählt, dass ich die Wunderpillen abgesetzt habe. Obwohl die Ärzte auf mich eingeredet haben. Ich müsste damit rechnen, dass die Halluzinationen und Stimmen wieder zurückkehren, die mich noch lange nach der Zeit in der Klinik gequält haben. Eine Folge der magic mushrooms. Das Zeug hat sich in meine Gehirnzellen gefressen, ach was, nicht nur in die, sondern vermutlich auch in jede andere meiner Zellen. Denn in den letzten Tagen, da arbeiten meine Sinne im Turbobetrieb. Ich rieche mehr, schmecke intensiver, höre besser. Was ich anfasse, scheint sich zu verformen. Nicht immer, aber es häuft sich. Auch, dass ich Dinge sehe. Dinge, die gar nicht da sind oder die längst passiert sind. Wie letzte Nacht.
Immer wieder muss ich in diesen Tagen daran zurückdenken, wie es angefangen hat. Als ich damals dieses rechteckige Päckchen in den Händen hielt, stach mir der Absender sofort ins Auge. Ich riss das Papier herunter und starrte ziemlich lange auf die Zigarettenschachtel in meinen Fingern. Sie konnte alles bedeuten. Klar, dass ich die Schachtel öffnete. Ich hatte mit allem gerechnet, nur mit einem nicht. Dass Ronnie mir Pilze schicken würde. Genauer gesagt drei mushrooms, die aussahen wie – sorry – getrocknete Katzenscheiße. Zu diesem Zeitpunkt war ich ziemlich blank, was Drogen betraf. Der Vampir am Grace – so nennen wir hier die Krankenschwester, also Mrs Bates – hatte regelmäßige Drogenkontrollen eingeführt, bis heute hat sie mich auf dem Kieker. Aber erst am Tag, bevor Ronnies Päckchen kam, hatte ihre Stimme mich mitten aus dem Filmseminar gerissen: Mr Benjamin Fox – bitte zur Drogenkontrolle.
Der Zeitpunkt war also günstig, die Katzenscheiße zu probieren.
Ein paar abgefahrene Halluzinationen, dachte ich damals, waren genau das, was mir fehlte. Außerdem war ich felsenfest überzeugt, es handele sich um Ronnies Friedensangebot. Leider erwies sich das im Nachhinein einfach nur als mieser Racheakt. Mordversuch wäre vielleicht zu hoch gegriffen.
Der Idiot, der ich war, schluckte ich das Zeug also einfach. Und es fuhr in mich hinein wie der leibhaftige Teufel. Plötzlich sah ich lauter Hügel hinter der weißen Tapete, die sich nach außen wölbte und sich zu bewegen begann. Als wären unter der Tapete Tausende von Ameisen, die alle in dieselbe Richtung marschierten. Sie wanderten in quadratmetergroßen Strukturen unter dem Papier, es sah irre aus, ich konnte mich kaum daran sattsehen. Der Veloursteppich zu meinen Füßen verformte sich zu einer Landschaft mit hohen Felswänden und tiefen Tälern. Als würde ich mit einem Hubschrauber über den Grand Canyon fliegen, machte ich im Teppich wilde Strukturen aus, die sich ständig veränderten.
Es war einfach unglaublich. Ich kam von der Hölle in den Himmel. Dachte, das Tal sei nie schöner
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