Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
Yellad zurück.«
»Du meinst«, fragt Debbie, »jemand fehlt?«
»Exakt.«
Golden Gate
I rgendjemand hatte einmal gesagt, man solle, wenn die Welt droht unterzugehen, noch einen Baum pflanzen. Keine dieser Nadelbäume, wie sie hier im Tal standen – nein, soweit Debbie sich erinnerte, war es ein Apfelbaum gewesen. Nun, damals hatte sie gedacht, sie würde sich im Bett verkriechen und einfach die Decke über den Kopf ziehen.
Es kommt immer anders, als man denkt, hatte Grandma Martha oft gesagt. Sie hatte vieles gesagt und das meiste war einfach purer Nonsens gewesen, hatte Debbie nicht weitergeholfen. Aber vielleicht sollte sie sich den Spruch merken. Wenn die Zeit ablief, Ereignisse sich abspulten, man das Gefühl der Kontrolle verlor, dann sollte man sich alle Optionen offenhalten, immer vom Gegenteil ausgehen und am besten niemandem vertrauen.
Ihr Plan stand fest. Sie würde in das Haus von Grandma Martha gehen, wenn sie das Tal verließ. Allerdings gab es dort keinen Internetanschluss, aber … einen Fernseher und einen DVD-Player. Wenn sie also zu packen begann, musste sie unbedingt vorher noch dafür sorgen, dass sie ihre Lieblingsfilme zusammenklaute. Zum Beispiel aus dem Kino. Und Rose besaß ebenfalls eine ziemlich gute Sammlung. Niemand würde es merken, wenn sie Dinge an sich nahm, denn das Chaos nahm bereits seinen Gang.
Noch so viel zu tun.
Oh, wie ekelhaft. Sie konnte sich selbst nicht riechen. Sie stank wie ein Skunk – wie ein altes Stinktier – und dieses blöde Kleid – ein Sonderangebot aus einem Onlineshop – machte sie rasend. Es kratzte wie verrückt. Eine Dusche wäre jetzt genau das Richtige, aber Debbie fürchtete nicht nur, etwas zu verpassen, sondern wagte auch nicht, ihren Laptop aus den Augen zu lassen. Niemand außer ihr durfte in Angelas Datenbank herumwühlen. Das war ihr Hoheitsgebiet, dem Robert gefährlich nahe kam. Er saß dicht neben ihr. Sein linker Arm berührte ihren. Und immer wieder kritzelte er etwas in sein Notizbuch von Moleskine.
Oh Jesus, seine Schrift war so winzig, dass Debbie eine Lupe gerbraucht hätte, um irgendetwas zu erkennen. Sie konnte nur erahnen, worum es sich handelte. Mikroskopisch kleine Formeleinheiten, chemische Strukturen.
Noch so ein geheimnisvolles Notizbuch. Tim Yellad, dieser Lügner, hatte doch tatsächlich Katie das Reisetagebuch ihres gemeinsamen Ahnen hinterlassen. Rechtlich gesehen gab es da bestimmt Möglichkeiten, es einzuklagen. Überhaupt war Dave Yellad, nein, der Duke of Dunbar …
»Wisst ihr eigentlich, dass in uns allen blaues Blut fließt?«, fragte sie und sah sich in der Runde um.
»Ich glaube eher«, murmelte Chris, »schottischer Whiskey.«
Debbie ignorierte ihn. »Und da muss irgendwo noch ein großes Vermögen sein, Ländereien, ein Herrenhaus, der Park.«
»Was ist mit deinem Weltuntergang? Dir bleibt keine Zeit mehr, das Erbe anzufechten.«
Okay, das war ein Schwachpunkt, aber träumen durfte sie noch. Jedenfalls besser, als einen Baum zu pflanzen.
Sie sah zur Tür. Rose, fürsorglich wie immer, ganz wie die Heilige Muttergottes, war zum Supermarkt gegangen, um etwas zu essen zu besorgen. Hoffentlich vergaß sie nicht die Gummibärchen, die Debbie in Auftrag gegeben hatte.
»Debbie, konzentrier dich!« Davids Stimme war ungewöhnlich streng. Er hatte es übernommen, alle Namen, Verknüpfungen und Querverbindungen in ihrer Familiengeschichte in einen Stammbaum einzufügen, der inzwischen jedes Papierformat sprengte.
Sie hatten mit ihrer Generation angefangen. »Okay, wir haben Ben, Julia und Robert, Katie, Rose, Chris, dich und …«
Chris, der bis jetzt auf seinem Smartphone herumgetippt hatte, schnaubte.
David sah hoch. »Was ist?«
»Statt hier Familienforschung zu betreiben, solltet ihr mal einen Blick in die Nachrichten riskieren!« Chris hielt sein Telefon hoch. »An der Mündung des Catatumbo in Venezuela sind über hundert Menschen vom Blitz getroffen worden. Da draußen ist die Hölle los. Und ich will einfach nur weg. Komm, Julia, wir packen.«
Aber Julia, die ihm sonst folgte wie ein Schatten, sie widersprach. »Nein, ich will es wissen. Und … ich bleibe bei Robert.«
Oh, bahnte sich da ein Drama an? Geriet die große Love Story ins Wanken? Kein guter Zeitpunkt, wenn man Debbie fragte.
Und wenn Blicke töten könnten, dann würde Julia jetzt vermutlich in Flammen aufgehen, denn der Blick, den Chris ihr schenkte, brannte vor stillem Zorn. Und ohne noch ein Wort zu sagen – weg war
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