Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
Stimme ist jetzt nicht viel mehr als ein heiseres Kreischen. »Wir sind alle seine Urahnen! John Graham Duke of Dunbar, der erste Weiße hier im Tal, ist unser Vorfahr.«
Katie deutet auf das kleine, antiquiert wirkende schwarze Buch, das auf dem Brief liegt. »Seine Tochter?«, flüstert sie fragend. »Diese Sarah … sie war wirklich seine Tochter?«
Debbies Gesicht hat sich im Laufe ihrer Erklärungen verändert. Ich habe sie noch nie so ernsthaft erlebt. »Genauso ist es.«
Ich erinnere mich an den Artikel. Ja, es existieren Phänomene in der Welt, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Dazu gehören mit Sicherheit die sieben Weltwunder … zumindest gehe ich davon aus, dass ihr Anblick einem echt die Sprache verschlägt. Aber auch so Sachen wie schwarze Löcher. Doch die Vorstellung, dass wir alle hier eine Familie sein sollen, so etwas wie ein Clan, das klingt so absurd – ich kann nicht anders, als in ein Lachen ausbrechen, das zugegebenermaßen hysterische Züge besitzt.
Zwischen Debbies Nachricht und meinem Ausbruch dehnen sich allerdings wieder einmal Minuten des sprachlosen Schweigens. Und als ich dann wie gesagt anfange zu lachen und vor mich hin zu stottern, von wegen … »He, das ist so absurd, so spacig … ja geradezu … abgefahren«, fangen alle gleichzeitig an zu reden.
Von Julia kommt ein Aufschrei und zum ersten Mal höre ich David fluchen: »Ach, du Scheiße!«, während Katie knurrt: »Ich glaub’s nicht. Hier verarscht uns jemand ganz gewaltig.«
»Und ich habe es entdeckt.« Ich glaube, Debbie ist die Einzige, die sich über die neue Verwandtschaft freut, während Chris brüllt: »Ich will endlich wissen, wer sich einbildet, er hätte mich in der Hand.« Er schlägt mit einer Wucht auf die Tischplatte, dass die Tassen und Gläser sich aufeinander zubewegen.
Ich muss wieder lachen, weil mich das an spiritistische Sitzungen erinnert, in denen man Kontakt mit Verstorbenen aufnimmt. In unserem Fall Dave Yellad, der durchgeknallte Duke aus Schottland, dessen Knochen vermutlich irgendwo hier im Tal vergraben sind.
»Mir reicht’s.« Julia erhebt sich und ihr Blick ist auf Robert gerichtet, der bisher noch kein Wort von sich gegeben hat. »Ich bin draußen, versteht ihr? Mich interessieren keine Vorfahren. Meine Familie ist tot. Robert ist der Einzige, der bleibt. Und wir werden zusammen nach London gehen, Ende. Kontakt zu den Leuten aufnehmen, deren Job es verflucht noch mal ist, uns beide zu schützen.«
»Ich fürchte, das wird nicht funktionieren«, entgegnet Robert seelenruhig. »Julia, es ist egal, ob wir in London, Berlin oder sonst wo sind. Wir können nicht entkommen.«
»Was ist dann deine Lösung, Robert?«, David erhebt sich und wandert in dem kleinen Raum auf und ab.
»Der Kreis war nicht vollständig«, sagt Robert. »Er war nicht vollständig. Das hat Milton uns mit auf den Weg gegeben.«
»Wovon sprecht ihr?«, Debbie mustert Robert misstrauisch. »Ihr habt Geheimnisse vor mir, stimmt’s? Ihr sagt mir nicht alles. Ihr vertraut mir nicht, weil ihr … ihr habt gedacht, ich gehöre nicht dazu.«
»Du hast dich ja im Computerdepartment eingesperrt, Miss Wilder.« Katie beugt sich nach vorne.
»Mein Name ist Deborah Finder. Ich bin die Tochter von William Finder junior, die Schwester von Angela Finder und die Ururenkelin von John Graham Duke of Dunbar. Genau wie du. So steht es in der Datenbank.«
»Mir scheißegal, was in der verdammten Datenbank steht …«
Wie die beiden sich jetzt anstarren, das hat etwas Hasserfülltes.
»Hört auf«, ruft Rose. »Hört auf, euch zu streiten. Wir müssen zusammenhalten, hat Tim geschrieben. Habt ihr denn vergessen, dass das College geschlossen wird? Robert, egal was du denkst, wir haben so oder so keine Wahl. Wir werden morgen früh das Tal verlassen müssen.«
»Es gab schon einmal einen Exodus aus dem Tal«, sage ich plötzlich.
»Als das Solomon College geschlossen wurde«, konstatiert David.
»Nein.« Plötzlich fällt mir ein, dass sie meinen letzten Trip gar nicht mitbekommen haben. »Ich habe Felszeichnungen entdeckt … im Stollen unter dem Ghostmassiv. Irgendwann sind Tier und Mensch von diesem Ort geflohen … «
»Oder wurden vertrieben …«, murmelt Robert und blättert in dem kleinen schwarzen Notizbuch. »Warum war der Kreis nicht vollständig?« Er steht auf und schiebt den Laptop näher an Debbie heran. »Die Studenten aus den 70ern. Wir gehen jetzt jeden einzelnen Stammbaum durch, bis zu Dave
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