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Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Titel: Das Tal Bd. 7 - Die Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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wünschte ich, sie würde schreiend fragen, wo das Popcorn bleibt und die Cola.
    »Was ist jetzt?«, unterbricht mich Chris, der ungeduldig neben mir steht. »Fangen wir an oder nicht?« Er scheint plötzlich wieder nüchtern zu sein oder tut wenigstens so. Ich hole tief Luft.
    »Am besten du und David, ihr baut den Filmprojektor auf. Ich nehme mal die Filmrollen unter die Lupe. Ihr habt keine Ahnung, wie vorsichtig man mit denen umgehen muss, damit sie nicht reißen.«
    In dem schwarzen Kasten befinden sich an die zwanzig Filmrollen. Ich nehme eine nach der anderen heraus und ziehe sie behutsam auseinander. Es ist schwer, etwas zu erkennen. Meine Finger bleiben immer wieder an dem Material hängen und ich habe wirklich Schiss, dass sie zwischen meinen Fingern zerfallen. Aber nichts passiert. Und langsam gewöhnen sich meine Augen an die Negative. Alles, was ich bisher gesehen habe, wurde im Tal aufgenommen. Im ersten Moment bin ich erleichtert, denke, jetzt hast du’s, und dann verfalle ich wieder in Hektik. Das alles anzusehen, dazu fehlt uns die Zeit.
    Bis ich endlich auf eine stoße, auf der ich so etwas wie eine große weiße Tafel erkenne, auf der nur ein einziges Wort steht. Ich glaube, ich bin auf der richtigen Fährte. Außerdem gibt es nicht viele Versuche. Irgendwo müssen wir anfangen, wenn wir verstehen wollen, wo es endet.
    »Hier …«
    Ich reiche die Filmrolle Chris. Seine Hände zittern. Die Filmrolle fällt zu Boden. Sofort bückt sich David, um sie aufzuheben, als Chris rot anläuft: »Ich brauche deine Hilfe nicht.«
    Er ist an der Grenze angelangt. Körperlich. Psychisch. Wie wir alle. Und wie ich. Woran ich das spüre? Dass sich mein Körper anfühlt, als trüge ich an allen Gelenken Gewichte. Wie manchmal Katie, wenn sie trainiert. Ich habe immer noch den Sand in meinen Haaren und meine Augen tränen vor Erschöpfung.
    Schließlich ist Chris so weit. Er legt die Spule ein und befestigt sie. David schaltet den Projektor an.
    Es knistert. Die Spule schleift. Ich drücke den Lichtschalter. Im Saal wird es dunkel, bis vorne auf der Leinwand das Licht flackert und zu einer großen hellen Fläche wird. Es ist still, nur das Schleifen und das Brummen des Projektors ist zu hören. Wir warten. Eine Ewigkeit, obwohl in der Realität vermutlich nur eine Minute verstreicht.
    Und dann taucht endlich der Schriftzug auf.
    DAS EXPERIMENT
    Ich hatte erwartet, dass jetzt Musik ertönt. Trommelwirbel. Oder eine Stimme aus dem Off, die uns Informationen liefert, Verheißungen verspricht, Lösungen gibt. Stattdessen tauchen wir ein in eine Landschaft, die wir kennen und dann doch wieder nicht.
    Die Kamera macht nichts anderes, als Kulissen heranzuzoomen. Der Ghost war damals noch von einer größeren Schneeschicht verhüllt, der Lake Mirror scheint kleiner, das Gelände, über dem sich das Collegegebäude erhebt, wirkt weitläufiger. Es wird dominiert durch riesige Rasenflächen, auf denen sich Studenten tummeln, die aus einem Kostümfilm stammen könnten. Und wenn ihre Gesichter in der Totale erscheinen, dann sehe ich nur lachende Gesichter. Wenn sie den Mund öffnen, um etwas zu sagen, folgt nur Stille.
    »Hey, Mann, das ist ein scheiß Stummfilm«, flucht Chris. »Und der soll uns weiterbringen? Wo ist denn dieses Tal, Robert, das angeblich so böse ist? Das ist ein Fuck-Werbefilm –, nichts anderes.«
    Na ja, ich muss Chris recht geben. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie uns das weiterbringen soll. Die Kamera schwenkt auf das Collegegebäude. Die Seitenflügel sind auch zu unserer Zeit noch erhalten. Es fehlt die heutige Glasfront, an deren Stelle ein steinernes Eingangsportal die Architektur dominiert. Vor dem Gebäude reihen sich Autos aneinander, die gleichen Modelle, in denen ich auf Mr Kowalskis Schrottplatz ein Dutzend Mal gesessen habe, um mir eine Ladung Dope zu verpassen.
    Dann die Nahaufnahme einer Inschrift über dem Portal:
    Vincit qui se vincit – Es siegt, wer sich besiegt.
    Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Ich bin nicht gerade ein Fan solcher totalitären Sprüche. Und bin schon so weit, einfach abzubrechen, als die Szene wechselt und … ein strahlend blauer Himmel ins Bild kommt mit einer Sonne, gestochen scharf, wie es nur zu der Zeit im Jahr vorkommt, wenn die Tage länger werden. Dann scheint der Kameramann auf eine Gruppe von Studenten zuzugehen, die sich unter einem Ahornbaum versammelt haben. Gesichter, die unterschiedlicher nicht sein können und

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