Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
der Welt.«
Ich höre nicht mehr zu, denn mein Blick fällt auf einen schwarzen, viereckigen Kasten. Kodak, lese ich.
»Vielleicht doch«, sage ich laut. »Vielleicht können Sie uns doch helfen.«
Brandon starrt mich an. »Wie?«
Ich stehe auf, umrunde den Tisch, trete an das Regal und ziehe den Kasten heraus. Als ich ihn öffne, sehe ich die Filmrollen.
»Hier. Diese Filme. Vielleicht ist darauf etwas … oder jemand zu sehen … vielleicht finden wir eine Spur …«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass …«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir sie uns ansehen?«, unterbreche ich ihn.
»Die haben mit der Sache nichts zu tun. Das sind alles Aufnahmen, die wir in unserer Freizeit gemacht haben.« Er zögert den Bruchteil einer Sekunde, dann nickt er. »Aber wenn du glaubst, es könnte euch helfen … Irgendwo habe ich noch den alten Filmprojektor. Er muss in einem der Kartons sein. Ich wollte ihn wegwerfen, aber …«
Er erhebt sich und tritt an die Kisten, die sich an der Wand stapeln.
Wenn ich sehe, wie er eine nach der anderen öffnet, überfällt mich wieder Panik. In wenigen Stunden muss auch ich gepackt haben. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir wirklich das Tal verlassen werden.
»Hier …« Brandons Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Er zieht einen Karton hervor, klappt ihn auf und hebt etwas heraus.
Ich springe auf. »Wahnsinn. So ein Ding kenne ich nur aus dem Museum.«
»Ich hoffe, dass er noch funktioniert.«
Er hat den Satz kaum ausgesprochen, als das Telefon wieder schrillt.
Wir sehen Brandon an, der leise den Kopf schüttelt.
Als der Anrufer nach dem sechsten Mal aufgibt, sagt er: »Nehmt sie einfach mit. Ich brauche sie nicht mehr.«
Ich klemme mir die Kiste unter den Arm. Brandon folgt uns hinaus auf den Flur. Wir drehen uns gerade um, um uns zu verabschieden, als das Telefon erneut klingelt.
Im nächsten Moment hält Chris bereits den Hörer in der Hand.
»Wenn du denkst, du verfolgst uns, irrst du dich«, schreit er. »Jetzt sind wir dir auf den Fersen. Wir werden dich jagen.«
Inner Circle
D er Kinosaal hat ausgedient. Er ist seit Monaten nicht mehr benutzt worden. Die meisten von uns schauen Filme im Internet oder laden sie sich auf ihren Laptop oder iPad herunter oder spielen sie auf ihren privaten DVD-Geräten ab. Der Einzige, der sich um das Kino gekümmert hat, war ich. Nur seit Toms Tod habe ich mich nicht mehr dafür interessiert. Den Filmvorführer zu spielen, hat mich immer in gute Laune versetzt – Traumwelten, magische Geschichten auf der Leinwand – das war einmal mein Leben. Aber klar – das brauche ich alles nicht mehr – das habe ich jetzt vor Ort, live und sozusagen exklusiv in meinem Kopfkino. Jetzt erst fällt mir auf, dass ich meine Kamera im Apartment gelassen habe. Wieder einmal. Ich ändere mich, denke ich. Alles ändert sich.
Als ich die Tür aufschließe, schlägt uns schlechte, abgestandene Luft entgegen. Der Saal ist offenbar seit meinen letzten Vorführungen nicht mehr betreten worden. Mein Blick bleibt an den gemauerten Wänden, dem abgetretenen Parkett hängen. Über uns flackern die Neonröhren. Auch hier unten kann man den Verfall ablesen, ihn mit jedem Atemzug einatmen.
Umso überraschter bin ich über die angenehme Temperatur, die im Raum herrscht. Als hätte jemand geahnt – vielleicht sogar gewusst –, dass wir kommen würden. Und das ist seltsam, denn eigentlich steht doch die Räumung des Colleges bevor – oder besser, sie ist bereits in vollem Gang. Aber was ist nicht seltsam in dieser Nacht?
Während die anderen – Katie, Julia, Rose, Debbie und Robert – sich in eine der mittleren roten Stuhlreihen schieben, gehen David, Chris und ich nach oben in den Vorführraum, um den alten Filmprojektor in Gang zu bringen.
»Seid ihr endlich so weit?«, ruft Debbie nörgelnd.
Im Vorführraum ist noch alles so, wie ich es zuletzt gesehen habe. Einige DVDs liegen herum und erst auf den zweiten Blick erkenne ich, dass sie mir gehören. Die Klassiker des Science-Fiction. Der Tag, an dem die Erde stillstand, The Core, Deep Impact. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, die hier gezeigt zu haben.
Durch das kleine Fenster kann ich die anderen sehen. Sie haben in der Mitte Platz genommen. Julia ist tief im Sessel versunken, hat die Beine hochgezogen und verschwindet fast in ihrer Jacke. Rose, Katie und Robert unterhalten sich leise, während Debbie nervös auf dem Stuhl herumrutscht. Fast
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