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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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ist nicht Ford, Kine.«
    »Wer dann? Auch nicht der Kleine?«
    »Nein, der befindet sich ebenfalls in Sicherheit. Es ist das Wiesel, das von dem braunen Nerz verletzt worden war.«
    Kine senkte seinen Kopf. »Von ihm war der Warnruf gekommen. Er hatte uns vor den Weihen gewarnt …« Eine Minute lang standen sie schweigend da, als Kine vorsichtig fragte: »Ja, was ist denn nun mit …« Weiter kam er nicht. Die Erde bebte, und plötzlich näherten sich ihnen zwei weitere Schafe, zwei Nachzügler; mit gestrecktem Hals und weit aufgerissenen Augen rasten sie wie wahnsinnig den Pfad entlang, um wieder den Anschluß zur Herde zu bekommen. Das Donnern ihrer Hufe verstärkte sich wie ein Trommelwirbel, erreichte seinen Höhepunkt, als die Wiesel wieder auseinanderliefen und umherkugelten. Ärgerlich versammelten sich die kleineren Tiere erneut. Eine Staubwolke hüllte sie ein. Als sie sich allmählich auflöste, zeichnete sich eine durchnäßte und verdreckte Gestalt ab, die langsam auf die anderen Wiesel zuhumpelte. Ford knurrte.
    Kine blickte ihn durchdringend an und sagte: »Du bist uns ja eine feine Hilfe gewesen, Sumpfwiesel!«
    »Schafe!« grummelte Ford, Staub ausspuckend. »Hirnlose Idioten!«
    Der Schlamm, der Kine bedeckte, verkrustete in der feuchten Hitze. Die Sonne schien nun erbarmungslos herunter. Vom Schleier befreit, schwamm sie in dem blauen Dach über dem Grenzgebiet und durchdrang die Luft, die beinahe schon zu klar zu sein schien. Nur im Westen zeigte sich eine leichte Wolkenbildung, ein Streifen am Horizont, dunkel, aber weit entfernt. Die Wiesel liefen voran. Der Streifen wurde breiter. Er entwickelte sich zu einem Turm aus Gewitterwolken, dann zu einem düsteren, rauhen Gebirgsmassiv; seltsame Lichterscheinungen wurden sichtbar. Der Sumpf färbte sich gelbbraun, blaßlila, orange. Der Himmel war schwefelgelb getönt. Ein tiefes Schweigen fiel über die Landschaft, und von der Marsch her begrüßte ein Grünspecht den bevorstehenden Wolkenbruch.
15. Kapitel
    »Kine … bist du da, Kine?« Die leise Stimme kam näher. »Kine«, rief sie, und wieder: »Kine.« Einauge hielt sich weiterhin versteckt, klug genug, sich nicht zu bewegen, solange der Rufende sich ihm nicht gezeigt hatte. Die Stimme hallte nun schrill durch den Wald, zum Teil klang sie wehmütig, aber auch die Enttäuschung war deutlich herauszuhören. »Kine«, rief sie eindringlich mit einem Anflug von Verärgerung. Einauge gähnte. Nur die Dummen verrieten sich selbst an alle, die sich in Hörweite befanden. Doch er war neugierig.
    Distelwolle wirbelte, vom Wind angetrieben, zwischen den Baumstämmen umher, und ebenso leicht wie die Distelwolle hüpfte die Wieselin ins Blickfeld. »Kine«, jammerte sie. Einen verdrießlichen Seufzer ausstoßend, blieb sie stehen und begann, im Boden herumzuscharren. Ein Tagpfauenauge, dessen Flügel im Sonnenlicht farbig aufleuchteten, flatterte über ihr. Ein bildschöner Anblick, dachte Einauge. Sie war völlig unbefangen und noch sehr jung. Ihre bevorstehende Reife verlieh ihr eine angenehme Ausstrahlung. Die zierliche Wieselin belebte sein altes Herz.
    Er fragte: »Was willst du von Kine?«
    Sie wirbelte herum, mit funkelnden Augen, und er dachte, daß ihr die Empörung, die sie zeigte, weil sie überrascht worden war, gut stand. Sie legte ein hitziges, unerschrockenes Temperament an den Tag und schnauzte ihn an: »Wer bist du?« Und als sie keine Antwort bekam: »Das geht dich nichts an!« Doch als er so tat, als ob er gehen wollte, gewann ihr Bedürfnis nach Gesellschaft die Oberhand. »Vielleicht kannst du mir doch weiterhelfen«, lenkte sie ein. »Kine ist mein Vater. Er ist der einzige Verwandte, den ich noch habe. Die anderen sind von den Nerzen getötet worden. Ich kann ihn nicht finden. Du scheinst tatsächlich das einzige Wiesel in diesem Wald zu sein.«
    Sie störte sich nicht an seinen Narben oder an der leeren Augenhöhle, und ihm wurde warm ums Herz. »Du bist Kias Tochter? Ich dachte, daß alle Nachkömmlinge umgekommen sind, aber halt – ich hätte es gleich sehen müssen.«
    »Du hast meine Mutter gekannt?«
    Der Alte nickte. Es hätte ihm wirklich schon gleich auffallen müssen. Es war unglaublich. Er betrachtete die schmächtige, geschmeidige Gestalt. Sie war jünger, aber ein quirliges Ebenbild Kias. Er sagte, wobei er bewegter war, als er eigentlich zeigte: »Kine ist mein Sohn. Deshalb bin ich hier. Ich kümmere mich um den Wald, während er das Wieselvolk führt, um Rache zu

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