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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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Augen verloren habe. Sie flogen tief, zwar gemächlich, doch sie waren auf Beute aus. Paß auf deinen Rücken auf, Kine, sie verstehen ihr Geschäft.«
    »Dieser verfluchte Sumpfnebel!« Kine blickte argwöhnisch in die langsam vorbeiziehende Wolke. Sie war unbeständig, zu unruhig, um verläßlich zu sein. Jeden Augenblick konnte sie sich auflösen und sie bloßstellen. Er beobachtete, wie sie sich über den spitzen Sumpfgräsern vorwärts bewegte und sich wand, ein blasser Geist, der sich unvorhersagbar ständig verdichtete und wieder durchscheinend wurde. Einmal so weiß wie Milch, zerstreute sie sich im nächsten Augenblick, so daß die Sonnenstrahlen hindurchscheinen konnten; dann zog sie sich wieder zu einem undurchdringlichen Gebilde zusammen. »Da!« hauchte das andere Wiesel. Ein blauer Spalt war entstanden, in dem man die beiden Vögel deutlich erkennen konnte.
    Sie kreisten langsam über dem Pfad, große, braungefleckte Jäger mit langen, kräftigen Flügeln, die sie leicht nach oben neigten, als sie aus dem Nebel glitten. Es handelte sich um eulenähnliche Raubvögel. Sie bewegten sich mit der gleichen Lässigkeit und trugen die gleiche dichte Halskrause wie der Scheunenbewohner. Und sie waren ebenso gefährlich. Die Wiesel erstarrten, als sie über ihre Köpfe hinwegzogen.
    Kine beobachtete das Weibchen; es war etwas größer als ihr Gefährte, flog in niedriger Höhe über dem Pfad und lauerte auf eine Bewegung. Er sah ihr klares, scharfblickendes Auge und dachte, daß sie entdeckt worden wären; doch sie stieg wieder auf, das Männchen folgte ihr. Sie kreisten träge in der Luft, wendeten sich vom Pfad ab und waren verschwunden. Kine seufzte vor Erleichterung, stellte sich wieder auf die Pfoten und sagte: »Glück gehabt! Laßt uns weitergehen.«
    Durch klarere Schwaden hindurch setzten sie ängstlich ihren Weg fort. Der Sumpf erwachte, als es sich erwärmte, ließ ein wallendes Grollen hören und sandte schwere Dämpfe aus. Sumpfschlangen glitten vorbei, und Frösche tauchten unter. Kine zitterte vor Erregung. Er war äußerst beunruhigt, und als der Pfad zu beben begann, blieb er ein zweites Mal stehen. Die Sonne leuchtete hinter dem Nebel undeutlich auf. Sie überzog den Sumpf mit dem trüben Schimmer eines Rabenflügels. »Spürst du das?« fragte er Ford. »Ein Vibrieren. Die Erde bebt.«
    »Du weißt, was das ist …«
    »Du führst uns.« Kines Nackenhaare sträubten sich.
    Ford starrte nach vorne. »Die Herde«, knurrte er. »Diese dämliche Herde.«
    »Sie kommt näher.«
    »Ziemlich schnell sogar. Verdammtes Pech – die ganze Herde!« Sie wurde sichtbar. Zunächst glich sie einer Nebelwolke, die auf dem Weg entlang zurückrollte, glich einem riesigen Wurm, der mit jedem Augenblick größer wurde und die Erde erzittern ließ. Dann zeichneten sich die ersten Geschöpfe deutlich ab: Die Schafe waren es. Eine Herde von Mutterschafen. Kine konnte ihre dicken, kurzgeschorenen Bäuche und ihre kräftigen Nacken sehen. Sie stampften mit ihren Hufen wuchtig auf den Boden. Der ganze Pfad war voll von ihnen. Eine vorwärts stürmende Reihe von hundert Tieren. Die einzige Möglichkeit, ihnen auszuweichen, bot der Sumpf beiderseits des Pfades. »Wir können ihnen nicht entkommen«, schrie Kine.
    »Entkommen?« brüllte Ford durch das Donnern hindurch. »Vor diesen dummen Schafen etwa davonlaufen?« Er stellte sich breitbeinig auf den Weg.
    Kine starrte gebannt nach vorne. Die ersten massigen Mutterschafe – verglichen mit den Wieseln waren sie riesig – zeichneten sich drohend ab, eine bewegliche Wand aus Muskeln und Knochen, aus der gefährliche Hufe hervorstießen. Kine war, ohne sie weiter zu beachten, an grasenden Schafen vorbeigelaufen, es waren friedliche Tiere. Aber er kannte auch die Gefährlichkeit eines aufgebrachten Mutterschafs – und er wußte, daß eine vorwärts stürmende Herde mit ihren stampfenden Hufen einen Hund zerschmettern konnte. Alte Wegmarkierungen zeugten von der Wucht dieser Hufe. Doch Ford stellte sich ihnen, angespannt und fluchend, wie ein Prellbock entgegen; und Kine, der zurückwich, jammerte: »Spring zur Seite, Ford! Spring doch, du Idiot!«
    Dann geriet Ford unter die ersten Tiere, er schien zusammengeschrumpft zu sein. Kine sah ihn wie ein totes Blatt in dem Staub der Herde herumwirbeln, als seine eigenen Sinne durcheinandergerieten und er sich, auf dem Rücken liegend, wiederfand, inmitten eines Waldes von zutretenden Beinen. Benommen betrachtete er die

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