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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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seiner Situation.« Diesmal ließ er seine Vorsicht außer acht. Ihr strenger Blick entfachte etwas in ihm, ebenso wie ihr erhobener Arm und ihre zerzausten Haare. »Ein geschäftiges Mädchen drinnen und draußen. Das würde mir schon gefallen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das frag’ ich dich!«
    Sie antwortete nicht, und das Brummen des Mähdreschers füllte die Stille aus. Der junge Mann betrachtete feindselig das Tal. Sie verschworen sich gegen ihn: die Wildheit des Tals, ihre eigene Ungezähmtheit, Wilderer, die Marsch, alles. Er war, grübelte er, lediglich eine von außerhalb kommende Ablenkung für sie, nicht mehr; und er mochte das Mädchen zu sehr, als daß er sich damit zufriedengeben konnte.
    Sie sagte: »Ich glaube, du bist eifersüchtig.« Und dann spöttisch: »Auf ihn , den alten Wilderer! Ich hätte nie gedacht, daß du so dämlich wärst, aber …« Sie blickte ihn an. »Um Himmels willen!« rief sie amüsiert aus.
    »Du bist es, die dämlich ist. Ich mache mir Sorgen um dich.«
    »Um Himmels willen«, fuhr sie fort. »Der alte Wilderer! Er denkt mehr an das junge Wiesel, das er füttert, als an mich. Er ist wie ein Kind damit.«
    »Was für ein Wiesel?«
    »Ist das wichtig?« fragte sie, verwirrt durch seine Eifersucht. »Dieses Wiesel war plötzlich da, eine Waise, und Wilderer kümmerte sich um das Tier. Es holt sich Fleisch ab, keck wie ein Rotkehlchen. Von seinem Fenster aus kann er es beobachten. Damit verbringt er seinen Tag.«
    »Damals hat er immer auf sie geschossen.« Der Mann warf seine Hände in die Luft. »Nun bedroht er Menschen. Er dürfte nicht dortbleiben.«
    »Es holt ihn niemand ab.«
    »Sie müßten es tun, wenn du darauf bestehen würdest. Es ist keine Wohltat, sich mit dem alten Kerl abzugeben, das weißt du selbst.«
    »Möglich.« Sie zuckte mit den Achseln und betrachtete das grummelnde Spielzeuggefährt, den fernen Mähdrescher auf der Anhöhe. Vielleicht war Wilderer ja ein Relikt aus vergangenen Tagen, ein Verwandter der Kornmuhme, den man besser fortschaffte, als daß man ihn, wenn der Winter wütete, im Tal dahinsiechen ließ. Doch es war Leben in ihm. »Wir haben unsre letzte Last getragen und geben uns nicht geschlagen.« Wilderer hatte seine letzte Last getragen, hatte aber nicht aufgegeben. Sie sagte: »Vielleicht hast du recht. Weiß Gott, ich sage dem Alten ja immer, daß er ins Krankenhaus gehen sollte. Wegen seiner Gesundheit.«
    »Die beste Möglichkeit, um länger am Leben zu bleiben.«
    »Ja«, pflichtete sie ihm bei. »Genauso wie man ein wildes Tier in Gefangenschaft nimmt. Wenn man es gewissenhaft pflegt, lebt es wahrscheinlich länger als in seiner Wildnis.«
    »Mehr als wahrscheinlich.«
    Das Mädchen riß einen Grashalm ab. Als sie sich hinuntergebeugt hatte, sah sie einen Hasen, der sich ruhig, beinahe unsichtbar, am Wegrand entlangbewegte. Seine sanften Augen starrten sie an, die Nase zitterte kaum. Dann, als er bemerkte, daß sie ihn entdeckt hatte, hüpfte er auf den Feldweg, lief in die Richtung von Wilderers Häuschen, blieb stehen und blickte auf sie zurück. Entspannt hoppelte er weiter, das ganze auslaufende Tal vor sich. Gedankenverloren saugte das Mädchen am Grashalm. »Denke mir, man kann am Leben bleiben« – sie spuckte den Halm aus – »und leben. Ich könnte irgendwo anders am Leben bleiben, könnte reicher sein, es bequemer haben und den Haushalt für mich machen lassen. Doch der einzige Platz, wo ich leben kann, ist dort, wo ich hingehöre, ist in diesem Tal. Hier bin ich frei.«
    »Und wenn du heiraten würdest?«
    Sie sah ihn belustigt an. »Was hat das mit Wilderer zu tun?«
    Er wandte sich halb ab und sagte gereizt: »Zur Hölle mit dem Argumentieren! Ich habe nicht viel Zeit. In einer Stunde muß ich arbeiten.«
    »Dann ist es wohl besser, wenn du losfährst.«
    »Etwas Zeit hab’ ich noch übrig.«
    »Ist mir egal.« Sie machte das Gartentor vor ihm zu. »Ich muß nach der Wäsche sehen. Von mir aus brauchst du überhaupt nichts für mich übrig zu haben«, sagte sie, hob das Bündel hoch und ging mit fliegenden Haaren davon.
    Er beobachtete, wie sie verschwand, dann trat er mit plötzlicher Boshaftigkeit gegen einen Reifen des Lieferwagens. »Verdammt!« rief er.
    In dem Obstgarten entstand unvermittelt eine Unruhe, und die Vögel flogen, laute Protestschreie ausrufend, auseinander. Die kleine Wieselin hüpfte ins Sonnenlicht, wirbelte bei der Verfolgung ihres Schwanzes zweimal herum und plapperte ausgelassen. »Wunder!

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