Das Tao der Physik
Doppelnatur zeigt auch das Licht, das als
elektromagnetische Schwingung oder Teilchen auftreten kann.
Diese Eigenschaft von Materie und Licht ist recht seltsam. Es
scheint unmöglich zu akzeptieren, daß irgend etwas gleichzeitig
ein Teilchen, d. h. ein auf kleinsten Raum beschränktes Gebilde, und eine Welle sein kann, die sich über weite Räume ausdehnt. Dieser Widerspruch ließ die meisten der koan-ähnlichen
Paradoxa entstehen, die schließlich zur Formulierung der
Quantentheorie führten. Die ganze Entwicklung begann, als
Max Planck entdeckte, daß Wärmeenergie nicht kontinuierlich
ausgestrahlt wird, sondern in Form von »Energiepaketen«.
Einstein nannte diese Energiepakete »Quanten« und erkannte
sie als fundamentalen Aspekt der Natur. Er war kühn genug zu
behaupten, daß Licht und jede andere elektromagnetische
Strahlung nicht nur als elektromagnetische Welle, sondern
auch in Form dieser Quanten auftreten kann. Die Lichtquanten, nach denen die Quantentheorie benannt ist, werden seither
als gültig akzeptiert, man nennt sie jetzt Photonen. Sie sind jedoch Teilchen von besonderer Art, masselos, und bewegen sich
immer mit Lichtgeschwindigkeit.
Ein Teilchen
Eine Welle
Der offensichtliche Widerspruch zwischen dem Bild der Teilchen und Wellen wurde auf völlig unerwartete Weise gelöst,
die die Grundlage des mechanistischen Weltbildes in Frage
stellte, nämlich den Begriff der Realität der Materie. Auf der
subatomaren Ebene existiert Materie nicht mit Sicherheit an
bestimmten Orten, sondern zeigt eher eine »Tendenz zu existieren«, und atomare Vorgänge laufen nicht mit Sicherheit zu
definierten Zeiten und auf bestimmte Weise ab, sondern zeigen
eher »Tendenzen zu erscheinen«. In der Formalsprache der
Quantentheorie werden diese Tendenzen als Wahrscheinlichkeiten ausgedrückt und hängen mit mathematischen Größen
zusammen, die die Form von Wellen aufweisen. Daher können
Partikel gleichzeitig Wellen sein. Sie sind keine »wirklichen«
dreidimensionalen wie
Schall- oder Wasserwellen. Sie sind
»Wahrscheinlichkeitswellen«, abstrakte mathematische Größen mit all den charakteristischen Eigenschaften von Wellen,
die über die Wahrscheinlichkeit Auskunft geben, mit welcher
die Teilchen an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten
anzutreffen sind. Alle Gesetze der Atomphysik sind in der
Form dieser Wahrscheinlichkeiten ausgedrückt. Wir können
niemals einen atomaren Vorgang mit Sicherheit voraussagen;
wir können nur sagen, wie wahrscheinlich sein Auftreten ist.
Die Quantentheorie hat somit die klassischen Begriffe von
festen Körpern zerstört. Auf der subatomaren Ebene lösen sich
die Festkörper der klassischen Physik in wellenartige Wahrscheinlichkeitsbilder auf, und diese Bilder endlich stellen nicht
die Wahrscheinlichkeit von Dingen dar, sondern von Zusammenhängen. Eine sorgfältige Untersuchung der Beobachtungsprozesse in der Atomphysik zeigte, daß subatomare Teilchen keine Bedeutung als isolierte Gebilde haben, sondern nur
als Zusammenhang zwischen der Vorbereitung eines Experiments und der darauffolgenden Messung zu verstehen sind.
Die Quantentheorie enthüllt somit die grundsätzliche Einheit des Universums. Sie zeigt, daß wir die Welt nicht in unabhängige kleinste Teilchen zerlegen können. Wenn wir in die
Materie eindringen, zeigt uns die Natur keine isolierten
»Grundbausteine«, sondern erscheint eher als ein kompliziertes Gewebe von Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Teilen des Ganzen. Diese Zusammenhänge schließen immer den Beobachter ein. Der menschliche Beobachter bildet
immer das Schlußglied in der Kette von Beobachtungsvorgängen, und die Eigenschaften eines atomaren Objekts können nur
in Begriffen der Wechselwirkung zwischen Objekt und Beobachter verstanden werden. Dies heißt, daß die klassische Vorstellung einer objektiven Beschreibung der Natur nicht mehr
gilt. Die Cartesianische Trennung von Ich und Welt, vom Beobachter und dem Beobachteten, kann im atomaren Bereich
nicht durchgeführt werden. In der Atomphysik können wir nie
über die Natur sprechen, ohne gleichzeitig über uns selbst zu
sprechen.
Die neue Atomtheorie konnte sofort mehrere Rätsel lösen,
welche bei der Untersuchung der Atomstruktur aufgetreten
waren und die
Rutherfords Planetenmodell
nicht
erklären
konnte. Zuerst einmal hatten Rutherfords Untersuchungen gezeigt, daß die Atome, aus denen feste Materie besteht, selbst
fast nur aus leerem Raum bestehen, was die Verteilung der
Masse
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