Das Tao der Physik
ausgestrahlten
Alpha-Teilchen
schnellste Projektile von subatomarer Abmessung sind, die für
die Erforschung des Atom-Inneren verwendet werden können.
Beschießt man damit Atome, so können aus der Art ihrer Ablenkung Rückschlüsse auf den Atomaufbau gezogen werden.
Als Rutherford Atome mit Alpha-Teilchen bombardierte,
erhielt er sensationelle und völlig unerwartete Ergebnisse. Sie
waren keineswegs die harten und festen Teilchen, für die man
sie immer gehalten hatte, sondern erwiesen sich als weiter
Raum, in dem sich extrem kleine Teilchen - die Elektronen um den Kern bewegen, mit dem sie durch elektrische Kräfte
verbunden sind. Es ist nicht leicht, sich atomare Größenordnungen vorzustellen, sie liegen zu weit außerhalb unserer makroskopischen Skala. Der Durchmesser eines Atoms beträgt
etwa den hundertmillionsten Teil eines Zentimeters. Vergrößern Sie in Gedanken eine Apfelsine bis zur Größe der Erde.
Deren Atome hätten dann die Größe von Kirschen. Myriaden
von Kirschen, dicht gepackt in eine Kugel von der Größe der
Erde — das ist ein vergrößertes Bild von den Atomen einer
Apfelsine.
So klein auch das Atom im Vergleich zu makroskopischen
Objekten ist, es ist riesengroß im Vergleich zum Kern in seinem
Zentrum. In unserem kirschengroßen Atom wäre der Kern
überhaupt nicht sichtbar. Vergrößern wir das Atom auf Zimmergröße, wäre der Kern mit dem bloßen Auge immer noch
nicht erkennbar. Hierzu müßten wir das Atom auf die Größe
des größten Domes der Welt, des Petersdomes in Rom, bringen, dann hätte der Kern die Größe eines Salzkörnchens! Ein
Salzkörnchen in der Mitte des Petersdomes und Staubteilchen,
die durch den weiten Raum des Domes wirbeln — so können wir
Kern und Elektronen eines Atoms darstellen.
Bald nach Auftauchen dieses »Planetenmodells« des Atoms
wurde entdeckt, daß die Anzahl der Elektronen im Atom eines
Elementes dessen chemische Eigenschaften bestimmen, und
heute wissen wir, daß das ganze periodische System der Elemente dadurch aufgestellt werden kann, daß man sukzessiv
dem Kern des leichtesten Atoms - Wasserstoff* - Protonen
und Neutronen hinzufügt und die Atomhülle mit der entsprechenden Anzahl Elektronen ausfüllt. Die sich zwischen den
Atomen abspielenden Vorgänge verursachen die chemischen
Prozesse, so daß die ganze Chemie jetzt im Prinzip auf der Basis
der Gesetze der Atomphysik verstanden werden kann.
Diese Gesetze jedoch waren nicht leicht zu erkennen. Sie
wurden in den zwanziger Jahren von einer internationalen
Gruppe von Physikern entdeckt, u. a. dem Dänen Niels Bohr,
dem Franzosen Louis de Broglie, den Österreichern Erwin
Schrödinger und Wolfgang Pauli, dem Deutschen Werner Heisenberg und dem Engländer Paul Dirac. Mit vereinter Kraft gestalteten diese Männer über alle Grenzen hinweg eine der erregendsten Perioden der modernen Wissenschaft, die den Menschen erstmalig mit der seltsamen und unerwarteten Wirklichkeit der subatomaren Welt in Berührung brachte. Jedesmal,
wenn die Physiker mit einem atomaren Experiment der Natur
eine Frage stellten, antwortete die Natur mit einem Paradox,
und je mehr sie die Lage zu klären versuchten, desto größer
wurden die Paradoxa. Sie brauchten lange, um die Tatsache zu
akzeptieren, daß diese Paradoxa zur inneren Struktur der
* Das Wasserstoffatom besteht nur aus einem Proton und einem Elektron.
Atomphysik gehören, und um festzustellen, daß sie immer auftreten, wenn man versucht, atomare Vorgänge mit den traditionellen Begriffen der Physik zu beschreiben. Als dies erkannt
war, lernten die Physiker, die richtigen Fragen zu stellen und
Widersprüche zu vermeiden. Nach Heisenberg »nahmen sie irgendwie den Geist der Quantentheorie in sich auf« und fanden
schließlich die präzise mathematische Formulierung dieser
Theorie.
Auch nach der Vollendung ihrer mathematischen Formulierung waren die Begriffe der Quantentheorie nicht leicht zu akzeptieren. Ihre Auswirkungen auf das Vorstellungsvermögen
der Physiker waren geradezu erschütternd. Rutherfords Versuche hatten gezeigt, daß Atome keine unzerstörbaren Festkörper, sondern leerer Raum sind, in dem sich extrem kleine Teilchen bewegen, und jetzt erklärte die Quantentheorie, daß auch
diese Teilchen keine Festkörper im Sinne der klassischen Physik sind. Die subatomaren Einheiten der Materie sind sehr abstrakte Gebilde mit einer doppelten Natur. Je nachdem, wie wir
sie ansehen, erscheinen sie manchmal als Teilchen, manchmal
als Wellen; und diese
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