Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
Vom Netzwerk:
und wurden aus der Bewegungsenergie (»kinetischen Energie«) des Kollisionsvorgangs
erzeugt. Das ganze Problem der Zerteilung der Materie ist somit auf unerwartete Weise gelöst. Die einzige Möglichkeit,
subatomare Teilchen weiter zu teilen, ist, sie mit hoher Energie
zusammenprallen zu lassen. Auf diese Weise können wir Materie immer weiter zerlegen, erhalten aber niemals kleinere Teile,
weil wir eben aus der am Prozeß beteiligten Energie Teilchen
erzeugen. Die subatomaren Teilchen sind also gleichzeitig zerstörbar und unzerstörbar.
    Das scheinbare Paradox löst sich erst dann auf, wenn wir uns
von der Auffassung lösen, daß Objekte aus Grundbausteinen
zusammengesetzt sind, und uns statt dessen die dynamische, relativistische Anschauung zu eigen machen. Die Teilchen erscheinen dann als dynamische Strukturen oder Prozesse, die
eine bestimmte Energiemenge mit sich bringen, die uns als ihre
Masse erscheint. Bei einer Kollision wird die Energie der beiden kollidierenden Teilchen umverteilt zu einer neuen Struktur, und wenn eine ausreichende Menge an Bewegungsenergie
hinzukommt, können in dieser neuen Struktur zusätzliche Teilchen erscheinen. Hochenergie-Kollisionen sind die hauptsächliche Methode zum Studium der Eigenschaften dieser Partikel,
daher heißt die Teilchenphysik auch »Hochenergie-Physik«.
Die hier erforderlichen kinetischen Energien werden in mächtigen Teilchen-Beschleunigern erzeugt, in riesigen kreisförmigen Maschinen von mehreren Kilometern Umfang, in denen
Protonen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
werden, um dann mit anderen Protonen oder Neutronen zusammenzustoßen. Es ist eindrucksvoll, daß zum Studium des
unendlich Kleinen Maschinen dieser Größe erforderlich sind.
Sie sind die Supermikroskope unserer Zeit.
    Die meisten bei diesen Kollisionen erzeugten Teilchen leben
nur extrem kurze Zeit — weit weniger als eine millionstel Sekunde - und zerfallen dann wieder in Protonen, Neutronen
oder Elektronen. Trotz ihrer außerordentlich kurzen Lebensspanne kann man sie nicht nur entdecken und ihre Eigenschaften messen, sondern auch ihre Spuren fotografieren. Diese
Spuren werden in sogenannten Blasenkammern erzeugt, ähnlich dem Kondensstreifen einer Düsenmaschine am Himmel.
Die eigentlichen Teilchen sind um viele Größenordnungen
kleiner als ihre Bahnspuren, aber aus der Dicke und der
Krümmung einer Bahn kann der Physiker das die Spur verursa
    chende Partikel identifizieren. Das Bild auf S. 79 zeigt solche
Bahnspuren. Die Punkte, von denen mehrere Bahnen ausgehen, sind Orte von Teilchen-Zusammenstößen, und die Kurven
werden von Magnetfeldern verursacht, welche die Beobachter
für die Identifizierung der Teilchen benutzen. Teilchenzusammenstöße sind unsere wichtigste Versuchsmethode, und die
wunderschönen Linien, Spiralen und Kurven, die die Teilchen
als Spuren in der Nebelkammer hinterlassen, sind von Überragender Bedeutung für die moderne Physik.
Die Hochenergie-Streuexperimente der vergangenen Jahrzehnte zeigten uns überzeugend die dynamische und ständig
wechselnde Natur der Teilchen. Die Materie erschien in diesen
Versuchen als völlig wandelbar. Alle Teilchen können in andere Teilchen umgewandelt werden; sie können aus Energie
entstehen und zu Energie zerfallen. In dieser Welt haben klassische Begriffe wie »Elementarteilchen«, »materielle Substanz«
oder »isoliertes Objekt« ihre Bedeutung verloren. Das ganze
Universum erscheint als dynamisches Gewebe von untrennbaren Energiestrukturen. Soweit haben wir noch keine komplette
Theorie gefunden, um diese subatomare Welt zu beschreiben,
aber wir haben mehrere theoretische Modelle, die manche
Aspekte sehr gut erklären. Keines dieser Modelle ist frei von
mathematischen Schwierigkeiten, und in gewisser Weise widersprechen sie sich alle gegenseitig, aber sie alle reflektieren die
grundsätzliche Einheit und den innerlich dynamischen Charakter der Materie. Sie zeigen, daß die Eigenschaften eines Teilchens nur aus seiner Aktivität verstanden werden können - seiner Wechselwirkung mit der Umgebung -, und daß das Teilchen deshalb nicht als isoliertes Gebilde, sondern als integrierter Teil des Ganzen zu verstehen ist.
    Die Relativitätstheorie hat nicht nur unsere Vorstellung von
den Teilchen drastisch beeinflußt, sondern auch unser Bild von
den Kräften zwischen diesen Teilchen. In einer relativistischen
Beschreibung der Wechselwirkungen der Teilchen werden die
Kräfte zwischen den Teilchen, d. h. ihre

Weitere Kostenlose Bücher