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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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Universalzusammenhang der
Dinge und Ereignisse scheint jedoch ein Grundzug der Realität
zu sein, der nicht von einer bestimmten Deutung der mathematischen Theorie abhängt. 6 Auf der atomaren Ebene lösen sich
also die »festen« Objekte der klassischen Physik in Wahrscheinlichkeitsstrukturen auf. Diese Strukturen stellen nicht
die Wahrscheinlichkeit von Dingen dar, sondern vielmehr die
Wahrscheinlichkeit von Zusammenhängen. Die Quantentheorie zwingt uns, das Universum nicht als eine Ansammlung physikalischer Objekte zu sehen, sondern als kompliziertes Gewebe von Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen eines vereinigten Ganzen. Dies ist jedoch die Art, in der östliche
Mystiker die Welt erfahren haben, und einige von ihnen haben
ihre Erfahrungen in fast den gleichen Worten ausgedrückt, die
Atomphysiker benutzen. Hier sind zwei Beispiele:
    Das stoffliche Objekt wird . . . etwas anderes, als was wir jetzt sehen, nicht ein selbständiges Objekt vor dem Hintergrund oder in der
Umgebung der übrigen Natur, sondern ein untrennbares Teil und
auf subtile Art sogar ein Ausdruck der Einheit von allem, was wir
sehen. 7
S. Aurobindo Dinge leiten ihre Natur und ihr Sein von gegenseitiger Abhängigkeit
her und sind nichts in sich selbst. 8
     
    Nagarjuna
    * Siehe S. 309 ff. Dort wird die Wechselwirkung der Quanten erörtert, und
zwar am Beispiel der in Beils Theorem implizierten »nichtlokalen« Zusammenhänge.
    Wenn diese Aussagen als Beschreibung der Natur in der
Atomphysik gelten können, dann klingen die beiden folgenden
Aussagen von Atomphysikern wie eine Beschreibung der
mystischen Erfahrung der Natur:
    Ein Elementarteilchen ist keine unabhängig existierende,
analysierbare Einheit. Es ist im Grunde eine Reihe von
Zusammenhängen, die sich nach außen zu anderen Dingen
hin erstrecken. 9
H. P. Stapp
    Die Welt erscheint in dieser Weise als ein kompliziertes
Gewebe von Vorgängen, in dem sehr verschiedenartige
Verknüpfungen sich abwechseln, sich überschneiden
und zusammenwirken und in dieser Weise schließlich
die Struktur des ganzen Gewebes bestimmen. 10
W. Heisenberg
    Das Bild dieser Verkettung gleich einem kosmischen Netz, das
aus der modernen Physik aufsteigt, wurde im Osten viel benutzt, um die mystische Erfahrung der Natur mitzuteilen. Für
den Hindu ist Brahman der bindende Faden im kosmischen
Gewebe, die letzte Ursache allen Seins:
    Ihr kennt diesen, in den Himmel, Erde und Luftraum, das Manas
zusammen mit allen Hauchen verwebt sind, als den einen Atman
(die Seele). 11
    Im Buddhismus spielt das Bild vom kosmischen Gewebe eine
noch größere Rolle. Der Kern des Avatamsaka-Sutra, eine der
Hauptschriften des Mahayana-Buddhismus (siehe S. 103)
ist eine Beschreibung der Welt als perfektes Netzwerk von gegenseitigen Beziehungen, wo alle Dinge und Ereignisse miteinander auf unendlich komplizierte Weise zusammenwirken. Die
Mahayana-Buddhisten haben viele Gleichnisse entwickelt, um
diesen universellen inneren Zusammenhang zu illustrieren, von
denen einige später im Zusammenhang mit der relativistischen
Version der »Gewebe-Philosophie« in der modernen Physik
erörtert werden. Das kosmische Gewebe spielt schließlich eine
zentrale Rolle im tantrischen Buddhismus, einem Zweig des
Mahayana, der um das dritte Jahrhundert n. Chr. in Indien entstand und heute die Hauptrichtung des tibetischen Buddhismus
bildet. Die Schriften dieser Schule heißen die »Tantras«, ein
Wort, dessen Wurzel im Sanskrit »Weben« bedeutet und das
sich auf die Verwobenheit und gegenseitige Abhängigkeit aller
Dinge und Ereignisse bezieht.
    In der östlichen Mystik schließt diese universelle Verwobenheit immer den menschlichen Beobachter und dessen Bewußtsein ein, und das gleiche gilt in der Atomphysik. Auf der atomaren Ebene können »Objekte« nur in Begriffen der Wechselwirkung zwischen den Vorbereitungs- und Meßverfahren
verstanden werden. Das Ende dieser Kette von Vorgängen
liegt immer im Bewußtsein des menschlichen Beobachters.
Messungen sind Vorgänge, die in unserem Bewußtsein »Empfindungen« hervorrufen, z. B. die visuelle Wahrnehmung eines Lichtblitzes oder eines dunklen Flecks auf einer Fotoplatte,
und die Gesetze der Atomphysik
sagen uns, mit welcher
Wahrscheinlichkeit ein atomares Objekt eine bestimmte Empfindung hervorrufen wird, wenn wir es auf uns einwirken lassen.
Heisenberg schreibt: »Die Naturwissenschaft beschreibt und
erklärt die Natur nicht einfach so, wie sie >an sich< ist. Sie ist
vielmehr ein Teil des

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