Das Tao der Physik
können
sie nicht als isolierte Einheiten betrachtet werden, sondern als
Verdichtungen eines kontinuierlichen Feldes, das überall im
Raum vorhanden ist. In der Quanten-Feldtheorie gilt dieses
Feld als die Basis aller Teilchen und ihrer gegenseitigen Wechselwirkungen.
Das Feld existiert immer und überall; es läßt sich durch nichts entfernen, es ist der Träger allen materiellen Geschehens- Es ist das
»Nichts«, aus dem das Proton die πMesonen schöpft. Bestehen
und Vergehen von Teilchen sind nur Bewegungsformen des Feldes. 15
Die Unterscheidung
zwischen Materie und leerem Raum
mußte endgültig aufgegeben werden, als entdeckt wurde, daß
virtuelle Teilchen spontan aus der Leere entstehen und wieder
in die Leere verschwinden können ohne Anwesenheit irgend
welcher Nukleonen oder anderer stark wechselwirkender Partikel. Das nachstehende »Vakuum-Diagramm« stellt einen solchen Prozeß dar: Drei Partikel – ein Proton (p), ein Antiproton
und ein Pion (π) — werden aus dem Nichts heraus gebildet
und verschwinden wieder im Vakuum. Nach der Feldtheorie
finden Vorgänge wie dieser die ganze Zeit über statt. Das Vakuum ist bei weitem nicht leer. Im Gegenteil, es enthält eine
unbegrenzte Anzahl von Teilchen, die ohne Ende entstehen
und verschwinden.
Ein Vakuum-Diagramm
Hier findet sich nun in der modernen Physik die engste Parallele zum Leerebegriff der östlichen Mystik. Wie die östliche
Leere ist das »physikalische Vakuum«, wie es in der Feldtheorie genannt wird, kein Zustand des bloßen Nichts, sondern enthält die Möglichkeit für alle Formen der Teilchenwelt. Diese
Formen sind wiederum keine unabhängigen
physikalischen
Einheiten, sondern nur vergängliche Manifestationen der zugrundeliegenden Leere. Wie das Sutra sagt: »Form ist Leere,
und Leere ist in Wirklichkeit Form.«
Die Beziehung zwischen den virtuellen Teilchen und dem
Vakuum ist eine im wesentlichen dynamische Beziehung. Das
Vakuum ist in der Tat eine »lebende Leere«, die in endlosen
Rhythmen von Erzeugung und Vernichtung pulsiert. Viele
Physiker halten die Entdeckung der dynamischen Eigenschaft
des Vakuums für eine der bedeutendsten in der modernen Physik. Aus seiner Rolle als leerer Behälter der physikalischen
Phänomene wuchs das Vakuum zu einer dynamischen Größe
von höchster Bedeutung hervor. Die Ergebnisse der modernen
Physik scheinen somit die Worte des chinesischen Weisen
Chang Tsai zu bestätigen:
Wenn man weiß, daß die Große Leere voll von Ch'i ist,
16 wird einem klar, daß es so etwas wie »Nichts« nicht gibt.
Der kosmische Tanz 15
Die Erforschung der subatomaren Welt im zwanzigsten Jahrhundert hat die innerlich dynamische Natur der Materie enthüllt. Sie zeigte, daß die Bestandteile der Atome, die subatomaren Teilchen, dynamische Strukturen sind, die nicht als isolierte Einheiten existieren, sondern als integrierte Teile eines
unauflöslichen Netzwerks von Wechselbeziehungen. Diese
Wechselwirkungen stellen einen unaufhörlichen Fluß von
Energie dar, die sich als Austausch von Teilchen manifestiert;
ein dynamisches Zusammenspiel, in dem Partikel in einer ständigen Variation von Energiestrukturen ohne Ende erzeugt und
vernichtet werden. Die Teilchen-Wechselwirkungen lassen die
stabilen Strukturen entstehen, die die materielle Welt aufbauen, die wiederum nicht in Ruhe bleiben, sondern in rhythmischen Bewegungen oszillieren. Das ganze Universum befindet
sich somit in endloser Bewegung und Aktivität, in einem ständigen kosmischen Tanz von Energie.
Dieser Tanz umfaßt eine enorme Vielfalt von Strukturen, die
aber überraschenderweise in wenige bestimmte Kategorien fallen. Das Studium der subatomaren Teilchen enthüllt daher eine
große Ordnung. Alle Atome und somit alle Formen von Materie in unserer Umwelt sind aus nur drei Masseteilchen zusammengesetzt: dem Proton, dem Neutron und dem Elektron. Ein
viertes Teilchen, das Photon, ist masselos und stellt die Einheit
der elektromagnetischen Strahlung dar. Das Proton, das Photon und das Elektron sind alles stabile Teilchen, das heißt, sie
können ewig leben, wenn sie nicht in einen Kollisionsprozeß
geraten, der sie vernichten kann. Das Neutron dagegen kann
spontan zerfallen. Dieser Zerfall heißt »Beta-Zerfall« und ist
der Grundprozeß eines bestimmten Typs von Radioaktivität.
Er umfaßt die Umwandlung des Neutrons zu einem Proton, begleitet von der Erzeugung eines Elektrons und eines neuen
Typs eines masselosen Teilchens, genannt das Neutrino. Wie
das Proton
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