Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
soll diese Bohnenstange von Pagen beschützen, oder? Mach ich. Obwohl es um den echt nicht schade ist.«
»Das tust du freiwillig. Ich habe doch gesagt, du bist ein anständiger Kerl.«
»Ich?«
»Selbstverständlich. Gott und seine Engel haben dich zu meinem Helfer erwählt.«
»Aha.« Misstrauisch verzog Nat den Mund. Geschäfte mit Irren waren lohnend, aber anstrengend. »Was muss ich also dafür tun?«
»Einen Stein finden.«
Noch einen? Jessas! Der Mann sollte seinen Stein haben. Einen bunten Flusskiesel zu besorgen war keine Zauberkunst.
»Keinen Kiesel!«
Der Junge zuckte zusammen.
»Einen Opal.«
»Nie gehört.«
»Du erkennst ihn, wenn du ihn siehst. Er vereint den Himmel, die Erde, das Feuer und das Wasser. Er spiegelt Gottes Schöpferkraft und Liebe. Die Engel haben mir offenbart, es sei der Stein, den ich brauche, um Freiheit von aller Qual zu erlangen und Erlösung.«
»Mag sein«, schimpfte Nat, »aber ich klau keine Juwelen, Ist zu heikel, und Josh wird sie nicht los.«
»Was denkst du von den Heerscharen des Herrn? Du sollst den Stein nicht stehlen, du wirst ihn finden.«
Nat zögerte kurz, seine Finger schlossen sich um die Silbermünze. »Und wo?«
Wieder hantierte der Prophet mit seinem Kartenspiel, fächerte es auf und steckte es durch die Stäbe. »Zieh!«
Nat zog achselzuckend und drehte eine Karte um, während eine weitere zu Boden trudelte. Nat betrachtete die Karte in seiner Hand. »Jessas, der Gottseibeiuns! Und zwei Nackte.«
»Ich habe dir schon mal gesagt, auch Satan ist ein Engel! Schon die Römer nannten ihn den Lichtbringer: Luzifer. Wir sind also auf der richtigen Spur.«
»Mit dem Gehörnten will ich nichts zu schaffen haben, Master Enoch. Mir langt Painbody.« Er warf die Karte in den Käfig zurück.
»Du musst nicht zum Teufel gehen, kleiner Nat. Heb die andere Karte auf!«
Nat bückte sich. »Hm, gefällt mir ’n bisschen besser.« Er beleuchtete mit seiner Fackel das Bild eines Liebespaares vor einer Flusslandschaft, darüber, in einem goldenen Himmel schwebte ein richtiger Engel. Golden und weiß mit Federschwingen statt mit versengten Drachenflügeln wie der Satan.
Enoch lachte. »Habe ich es mir doch gedacht«, sagte er. »Sieh genau hin, was verbindet beide Karten?«
Nat runzelte die Stirn. »Liederlicher Schweinkram?«
»Das nackte Paar. Es steht für die Liebe, mein Sohn. Sie kann Paradies und Hölle sein, göttliche Bestimmung oder teuflische Versuchung. Suche nach einem gesegneten Liebespaar, aber hüte dich vor Verwechslungen! Verfehlte Liebe entfesselt Hass und tödliche Zerstörung.«
»Ich kenn keine Liebespaare, außer Bess und ihre Freier.« Er linste nach der Teufelskarte, auf dem die Nackten an Satans Thron gefesselt dastanden. Mit gelangweilter Miene und leerem Blick.
Enoch nickte anerkennend. »Aha, du beginnst zu begreifen. Bei einer Hure und ihrem Buhlen wirst du nicht finden, was ich suche.«
»Wo dann?«
»Gott wird dir den Weg weisen ... Lass uns zu seinen Engeln beten. Ol sonf vorsag, goho iad balt ...«
Nat verdreht die Augen.
Enochs Lider flatterten und senkten sich. »Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabgekommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. «
»Heißt das, ich muss so was wie ’ne heilige Braut suchen?«
»Ja.«
»Ausgerechnet in London? Ich mein ...«
Ein quiekender Schrei gellte vom Marktplatz herüber. Schläge klatschten.
»Ah, die Engel haben sich wieder einmal offenbart«, bemerkte der Prophet zufrieden.
»Ich denk eher, das war der Page. Er muss Bess wieder in die Finger geraten sein«, warf Nat ein. »Und das ohne einen Penny in der Tasche! Volltrottel.«
»Gott spricht auf Erden besonders gern durch Narren.«
Daran hatte Nat keinen Zweifel mehr.
»Hab ich's nicht geahnt«, bemerkte der Prophet heiter. »Er soll dein Führer sein!«
»Derf« Nat fühlte sich in seiner Berufsehre gekränkt, aber die Silbermünze in seiner Hand fühlte sich verdammt tröstlich an.
5.
G REENWICH P ALACE
AM M ORGEN DES 10. A PRIL
Sie sieht aus wie eine Saatkrähe, dachte der junge Mann im Beichtstuhl. Das spärliche Morgengrau, das durch die Giebelfenster drang, begünstigte sein Urteil nicht. Alles, was er im Kirchenschiff von der jungen Frau erkennen konnte, nahm ihm die Lust auf einen zweiten Blick: Ihre pechfarbene Giebelhaube aus Leinen und Holz verbarg Haar und Gesicht. Der Rest versank in einem formlosen zinngrauen Kleid.
War sie darunter zu üppig
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