Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
den Thron zu verhelfen. Wir müssen sie weiter im Norden in Sicherheit bringen, sie vor Giftanschlägen der Reformer beschützen und vor allem Dudleys Pläne in Erfahrung bringen.«
Verärgert über Scheyfves Bedächtigkeit, die er gleichermaßen auf Politik, Glaubensfragen und die Wahl der prallsten Kirsche verwandte, hatte Samuel aufbegehrt.
»Es bedarf keiner weiteren Spitzeleien. Dudleys Pläne sind offensichtlich! Zwanzig Kriegsschiffe sind in die Themse eingelaufen, die Geschütze sind aus dem Tower nach Greenwich geschafft worden, und Dudley wirbt Truppen. Er will Maria vernichten, vielleicht noch bevor Edward stirbt. Wir müssen ihre Anhänger für die Verteidigung des Glaubens begeistern. Jetzt schlägt Spaniens große Stunde und die Stunde des wahren Glaubens. Das englische Volk ist auf Marias Seite. Es hat diesen Kronrat der Mörder satt.«
Schweigen und das Ausspucken von Kirschkernen war Scheyfves erste Reaktion. »Sega, sega! Das Volk ist eine wankelmütige Bestie, und Ihr seid zu hitzig, dabei seid Ihr nur ein halber Spanier!«
»Und Ihr ein ganzer Flame – bedächtig wie ein Schnecke!« Und nicht weniger verfressen.
»Ich liebe Schnecken!« Wieder das Klicken von Kirschkernen. »Sie sind – in Wein und Rahm gesotten – recht schmackhaft. Außerdem können sie einem mehr über die Tücken des Weges erzählen und kommen sicherer ans Ziel als voreilige Hasen.«
»Oder zu spät!«
Wieder landete ein Kirschkern auf dem Zinnteller. »Junger Freund, ich bin Diplomat und wie jeder Flame dem Kaiser direkt Untertan. Er ist wie ich in Gent geboren und aufgewachsen. Die Zeit ist unser Acker. Bedächtigkeit hat manch unnützen Krieg verhindert und Flanderns Hafenstädte und Märkte zu den wichtigsten Handelsplätzen für Spaniens Schätze und das Gold aus der Neuen Welt gemacht. Kurz: Meine Heimat blüht.«
»Ihr seid wie mein Vater! Der Glaube muss sich den Geschäften unterordnen.«
Unbeeindruckt hatte Scheyfve eine weitere Kirsche gewählt. »Satte Menschen sind friedliebende Menschen, und Handel lebt vom Geist der Diplomatie, dafür steht Euer Vater wie kaum ein Zweiter. Abgesehen von mir.«
»Er ist lau wie alle unentschiedenen Christen. Sein Glauben beschränkt sich auf Lippenbekenntnisse.«
»Ihr täuscht Euch. Er ist ein beherzter Christ. In seiner Jugend, so sagte mir Eure Mutter, war er ein Hitzkopf wie Ihr. Heute handelt er mit Besonnenheit. Ihr wisst, was er als Gründer der Opal-Bruderschaft für Verfolgte – egal welchen Glaubens – tut. Er versteckt sie oder verhilft ihnen zur Flucht.«
»Er tut es seiner Geschäfte wegen. Seine heimliche Hilfe für englische Katholiken macht ihn bei seinen Kölner Handelspartnern beliebt, seine protestantischen Glaubensbekundungen dienen ihm bei der Kaufmannschaft Londons. Wahrer Glauben ist entschieden, nicht wetterwendisch oder käuflich.«
Bedauernd hatte Scheyfve den leeren Kirschteller beiseite geschoben. »Mit dem Maul ist man schnell ein Held und noch schneller ein Märtyrer. Bedächtigkeit, Verständnis und Geduld sind dem wahren Glauben dienlicher. Übt Euch darin, schließlich wollt Ihr Mönch werden.«
»Die Jesuiten versinken nicht in religiösen Betrachtungen, sie sind Soldaten Gottes.«
»Aber keine eifernden, vorschnellen Kriegstreiber, wie ich hoffe.«
»Zunächst gilt es, den Glauben im Kampf zu verteidigen.«
»Glauben sollte man vor allem leben und den Kampf solange als möglich vermeiden. Darum bin ich Diplomat, und Ihr seid zurzeit meinem Befehl unterstellt – auf Wunsch Eurer Eltern!«
»Wenn Maria erst auf dem Thron sitzt, werde ich die Gelübde ablegen und mich ganz der Mission durch das Wort widmen. Dem Schwert aus der Schrift.«
»Löblich. Und nun zurück zur Gegenwart. Wir haben kaum Soldaten und kein Geld. Die Waffe des Verstandes ist schon jetzt unsere schärfste, dazu kommt Euer hübscher Hintern.«
»Was soll das heißen?«
»Das Ihr – wie gewünscht und beschworen – Euren Leib einsetzen werdet. Die Franzosen haben ihren Frauenbetörer de Selve auf ein junges Ding angesetzt, ein halbes Kind noch, Cass mit Namen. Sie kommt aus Dudleys Haushalt und hat den Marquis seine Favoritenrolle und den Lauscherposten beim König gekostet. Es heißt, sie hat Edward kürzlich sogar bei Nacht besucht. Allein.«
»Wollt Ihr andeuten, dass dieser bedauernswerte Knabenkönig von knapp fünfzehn Jahren noch auf dem Totenbett einen Erben zeugen soll?«
»Unwahrscheinlich, aber sein Vater hat es immerhin mit sechs
Weitere Kostenlose Bücher