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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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man ihn hergeschickt. »Ich schreib mir lieber auf, was Ihr sagt.«
    Der Prophet zuckte die Achseln. »Dann notiere: Aurea mediocritas!«
    »He? Wie schreibt man diesen Auerochsen?« Der Page tastete nach Wachstäfelchen und Griffel, die er im Futter seines Wamses trug.
    »Schreib einfach, Dudley soll den goldenen Mittelweg suchen. Oder die Mäßigkeit, wie die Karte heißt.«
    Der Page verzog den Mund. »Sagt Ihr das allen, die zu Euch kommen?«
    »Ungefragt und kostenlos! Das rechte Maß zu halten garantiert ein langes, friedvolles Leben.«
    »Eine solche Binsenweisheit ist keinen Penny wert, sondern eine Tracht Prügel.« Maß halten! Damit konnte er einem Mann wie Dudley nicht kommen.
    »Diese Binsenweisheit könnte vielen Menschen den Kopf retten«, antwortete der Prophet ungerührt. »Aber ich sehe schon, du möchtest ein Rätsel. Es ist wirklich leichter, von wolkiger Wahrsagerei als von der Wahrheit zu leben. Nun, wie wäre es damit: Adora quod incendisti. Incende quod adorasti. Verehre, was du verbrannt hast, und verbrenne, was du verehrt hast.«
    »Verbrennen? Das klingt nach Ketzerei!«
    »Es stammt aus dem Mund des heiligen Remigius, eines Bischofs von Tours.«
    »Ein Heiliger?« Auch das noch! »Dann ist es Ketzerei. In England gibt es keine Heiligen mehr.«
    »Zurzeit sind sie ein wenig aus der Mode. Wie wahr. Nun, betrachte es als Aufforderung, sich zur rechten Zeit auf die richtige Seite zu schlagen und sich mit dem zu verbünden, was sich nicht besiegen lässt. Damit ist Lord Dudley bislang gut vorangekommen, glaubst du nicht auch?«
    »Ich kann mir dieses Kauderwelsch unmöglich merken.« Und erst recht nicht aufschreiben. Latein brauchte es nicht, um Schafslisten zu führen.
    »Mögliche Verfolger könnten den Satz wohl kaum enträtseln, du Erbshirn! Darum geht es doch«, stöhnte Nat. Er entriss ihm Täfelchen und Griffel und reichte beides in den Käfig.
    Master Enoch ritzte flink die lateinische Botschaft ins Wachs. Also ist er ein ehemaliger Mönch und kein Prophet, dachte der Page grimmig. Wie so viele seiner Landsleute wusste er nicht, wer recht hatte im Streit um Bibel oder Messbuch oder darüber, ob Wein und Brot beim Abendmahl zum Leib Christi wurden, aber belesene und schreibende Mönche, die waren jedem vernünftigen Engländer ein Gräuel. Mit so einem – diesem deutschen Lothar oder wie der hieß, dessen Name nun ganz Europa buchstabierte – hatte das Gezänk um die Religion ja überhaupt erst begonnen.
    Früher, als der Glaube noch in den Stein der Kirchen gemeißelt war und nicht in dürre Buchstaben gepresst, war alles einfacher gewesen. Man hatte eine hübsche gemalte oder geschnitzte Figur gesehen und sich bekreuzigt. Aber nun disputierte die halbe Welt. Am Ende käme es noch so weit, dass die ganze Welt Bücher lesen müsste, um irgendwas zu glauben. Reine Zeitverschwendung.
    Nat reichte ihm die Wachstafel. »Wenn einer das klauen will, kratz den Satz am besten weg! Friss das Ding zur Not. Kapiert?«
    Hastig steckte der Page die Tafel in sein Wams, murmelte ein Danke und lief in den Torbogen. Ein Krächzen über seinem Kopf ließ ihn zusammenfahren: »Kehr um oder küss den Henker, Leckarsch! Leckarsch.«
    Verflixter Papagei! Im Narrenkäfig johlte es. Der Page gab Fersengeld.

4.
    Nat verharrte unschlüssig beim Gitter. Hatte der Prophet nicht auch noch mit ihm sprechen wollen? Begierig linste er nach dem Geldbeutel auf dem Käfigboden. Hoffentlich ging es um einen weiteren Kunden. Der Page hatte nichts eingebracht. Nat räusperte sich. »Richtig beeindruckend, Eure Vorhersagen, Master Enoch. Könnten eine Menge Leute interessieren. Wartet beim Hafen noch wer?«
    »Nat, sei kein Schmeichler, du beleidigst deinen eigenen Verstand.«
    Erwischt. Nat senkte den Blick.
    Enoch seufzte. »Mit dir kann ich ehrlich sein. Dass Edward wieder krank ist, weiß ich von den spanischen Spitzeln, die du vergangene Woche gebracht hast. Sie sprachen recht hoffnungsfroh über seinen blutigen Husten, schließlich wollen sie Maria auf dem Thron sehen. Die Franzosen haben gestern behauptet, sie hätten von einer Schlange geträumt – spekulieren also über einen Giftanschlag auf den König durch die Spanier oder planen ihn selbst. Sie fürchten um ihr Bündnis mit England. Und dank des Pagen wissen wir nun, dass Lord Dudley sich längst Gedanken über die Zeit nach Edward macht. Was liegt näher, als den baldigen Tod des Königs vorherzusagen? Ich bin Beichtstuhl und Börse für den Klatsch des

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