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Das taube Herz

Titel: Das taube Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Richle
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können Ihnen gerne noch zehn weitere liefern, wenn Sie das möchten.«
    »Ich sammle Automaten, mein lieber Sovary, keine Schmuckuhren. Es gibt zwar Spieluhren in meiner Sammlung, aber mich interessiert weniger die Zeit als vielmehr die Bewegung, das Spiel, der Antrieb, der uns Menschen zu dem macht, was wir sind.«
    »Warum haben Sie denn die Rose Blanche gekauft? Und warum gerade fünf Exemplare davon?«
    »Mit Verlaub, diese Rose Blanche ist vielleicht eine schöne Brosche, aber als Uhr, als Objekt an sich ist sie völlig wertlos.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie mir sagen wollen, Herr Montallier.«
    »Du weißt sehr wohl, wovon ich rede! Mich interessiert der Inhalt, nicht die äußere Hülle!«, schrie Montallier plötzlich und riss einer Rose Blanche nach der anderen den Deckel ab. Das Scharnier und zwei Blütenblätter, das wusste Jean-Louis aus Erfahrung, waren damit hoffnungslos zerstört. Mit fünf kurzen, heftigen Handbewegungen hatte Montallier vor Jean-Louis’ Augen ein kleines Vermögen vernichtet.
    »Was da drin ist, muss ich dir ja nicht erklären!«, schnaubte Montallier vor Erregung. »Dieser Ramsch hier ist dein eigenes Machwerk, nicht wahr! Schau dir nur diese fünf Uhrwerke an. Alle fünf tragen die Signatur von Le Roy, dem großen Pariser Uhrmacher. Nun ist Le Roy ein guter Freund von mir, und ich kenne seine Uhrwerke. Als ich die erste dieser Broschen für eine verehrte Dame kaufte, stellte ich schnell fest, dass die Mechanik nicht von
Le Roy stammt. Mit Ausnahme der Signatur ist in keiner dieser fünf Plagiate irgendetwas von Le Roy! Fälschungen, alles Fälschungen!« Montallier schrie und schnaubte vor Empörung und warf das fünfte Exemplar verächtlich auf den Tisch.
    Schon setzte Jean-Louis einen Fuß hinter den anderen und tastete nach der Tür in seinem Rücken. Doch diese war längst zugezogen worden, ohne dass er es bemerkt hatte.
    »Zwecklos Sovary, jeder Versuch, hier rauszukommen, ist zwecklos. Ohne meine Schlüssel kommt hier niemand raus. Und niemand wird dich finden, denn von diesen Räumen weiß außer mir kein Mensch etwas. Diese Automatensammlung ist alles, was ich habe, sie ist mein teuerster Besitz, davon hängt nicht nur meine Zukunft ab, darin befindet sich mein gesamtes Wissen über die Welt und ihre Mechanik. Und dass ich dich nun hierhergeführt habe, hat seinen ganz bestimmten Grund.«
    »Was wollen Sie von mir?«, sagte Jean-Louis mit zunehmender Angst und suchte die umliegenden Wände nach Türen ab.
    »Du brauchst nichts zu befürchten, Sovary. Wenn du kooperierst, geschieht dir nichts. Falls nicht, wirst du als einer der größten Fälscher in die Geschichte der Uhrmacherei eingehen. Der Bericht meiner Untersuchungen an den vier Exemplaren der Rose Blanche, die du eben vor dir gesehen hast, ist bereits an die entsprechenden Uhrmacher, an den Hof und an die Königin verschickt worden, mit Beweisstücken. Ich habe persönlich dafür gesorgt, dass dein Name an keiner Stelle erwähnt wird. Aber ich verspreche dir, es ist ein Leichtes, dies nachzuholen.«

    »Und was soll ich für Sie tun?«, fragte Jean-Louis mit gespielter Ruhe.
    »Ich habe dich beobachten lassen, Sovary. Nachdem ich drei Exemplare der Rose Blanche untersucht hatte, war mir klar geworden, dass hier ein großer Uhrmacher am Werk ist. Es ist zwar nicht seine Unterschrift. Aber die Ausführung, die Mechanik ist von ausgezeichneter, außergewöhnlicher Qualität. Ich habe mehrere Boten vorausgeschickt, um herauszufinden, wer die gefälschten Uhrwerke für das Haus Falquet in Ferney herstellt. Ich musste wissen, ob es sich um mehrere Fälscher oder einen Einzeltäter handelt. Ich ließ deine Werkstatt durchsuchen, und ich bin im Besitz von Abschriften aller deiner Notizbücher. Was du darin beschreibst, mein kleiner Sovary, das wirst du bereits festgestellt haben, ist genau das, was ich brauche. Aber ich will dir helfen, noch weiter zu kommen.«
    »Ich brauche keine Hilfe!«, trotzte Jean-Louis.
    »Die Idee, mein kleiner Sovary, das Wissen und die Überzeugung, die dahinterstecken, das jahrhundertealte Vorhaben, das hast du noch nicht ganz erfasst.«
    Montallier starrte ihn streng an, stützte sich auf dem Tisch ab und beugte sich bedrohlich vor.
    »Mein Auftrag ist ganz einfach. Ich gebe dir ein paar Bücher und Schriften zur Lektüre, du hast Einsicht in einige Pläne von anderen Automaten, ich gebe dir alle nötigen Werkzeuge und Materialien, und du baust mir aus Holz, Blech, Porzellan und allen dir

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