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Das taube Herz

Titel: Das taube Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Richle
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in den Laden des Maître Falquet trat und eine Bestellung aufgab.
    »Sovary, du fährst nach Paris«, erklärte Maître Falquet drei Tage später mit finsterer Miene.
    »Was soll ich denn in Paris?«
    »Der Kunde wünscht, dass wir die Rose Blanche persönlich liefern.«
    »Soll ich nun auch noch Laufbursche spielen, Maître? Dafür gibt es doch genügend ausgerüstetes Personal!«
    »Der Kunde wünscht es so. Du sollst die Uhr vor Ort und unter seinen Augen in die Rose einbauen. Du verstehst, was ich meine!«
    »Wer ist dieser anspruchsvolle Herr?«
    »Montallier heißt er, ein Orgelbauer aus Calais. Er hat sich in Paris niedergelassen und soll sich für Astronomie interessieren. Kann sein, dass er zusätzlich zur Uhr einen Mondkalender wünscht. Du wirst dich von der besten Seite zeigen müssen.«

12
    Montallier Inventeur stand in eingravierten Lettern auf dem polierten Messingschild an der Rue du Four in der Nähe des Marktes St. Germain in Paris. Jean-Louis zog an der Klingel. Nach ungewöhnlich langem, geduldigem Warten wurde ihm geöffnet. Er bat beim Diener um Einlass und wurde durch Flure und Zimmer voller Möbel und Kunstgegenstände geführt. Teppiche bedeckten die Böden, hingen an Wänden, standen zusammengerollt in Ecken. Pendeluhren in allen Größen und Ausstattungen bevölkerten Regale und Kaminsimse. Glasvitrinen stellten Geschirr und Bestecksammlungen zur Schau, kleine Statuetten und aus der Mode gekommene Perücken. Ein großer, stattlicher Mann mit schütterem, gepudertem, im Nacken zu einem Schwänzchen zusammengebundenem Haar empfing Jean-Louis in der Bibliothek des ersten Stocks. Aus Büchern gebaute Wände umgaben den weithin bekannten und, wie Jean-Louis auf dem Weg nach Paris hatte in Erfahrung bringen können, vom französischen Hof gehätschelten Orgelbauer Blaise Montallier. Über der Culotte und der Weste trug er einen kirschfarbenen Mantel aus Velours mit Seidenstickereien. Seine Hände steckten in schwarzen Lederhandschuhen und lagen zusammengefaltet vor ihm auf dem Tisch.
    »Sovary, Jean-Louis«, stellte Jean-Louis sich vor, »Maître
Falquet lässt ausrichten, dass die Anzahlung eingetroffen ist und der Handel als geschlossen gilt, sobald der Überbringer das Uhrwerk fachgemäß in die Rose Blanche eingebaut, die Uhr aufgezogen und die nötigen Papiere übergeben hat. Der Rest des Entgelts soll ebenfalls an den Überbringer des bestellten Exemplars der Rose Blanche ausgezahlt werden.«
    »Darauf kommen wir noch zurück«, brummte Montallier und erhob sich von seinem Stuhl. »Stell die Rose hier auf den Tisch.« Montallier deutete auf ein kleines Lesepult, das an der Seite unter der schwer beladenen Bücherwand stand. Zwei in Leder gebundene Folianten lagen darauf, die Montallier schnell wegräumte. »Ich nehme an, du hast die Werkzeuge bei dir, um das Uhrwerk fachgerecht einzubauen.«
    »Selbstverständlich, Herr Montallier«, nickte Jean-Louis selbstsicher, rollte sein persönliches Werkzeugbündel aus, nahm die kleine Holzkiste aus seiner Tasche, in der er das spezielle Exemplar der Rose Blanche transportiert hatte, und packte das Schmuckstück aus dem Stroh und den Stofffetzen, in die es gewickelt war. Aus einem Lederbeutel befreite er das mitgebrachte Uhrwerk, zeigte Montallier Le Roys Unterschrift auf dem Boden des Federhauses, zog die mitgebrachte Schürze an und machte sich an die Arbeit. Jean-Louis spürte den schweren, kontrollierenden Blick Montalliers über sich, im Nacken, auf jedem seiner Finger, getraute sich nicht ein einziges Mal aufzuschauen, fühlte, wie diese großen, dunklen Augen jede seiner Bewegungen verfolgten. Jean-Louis blieb ruhig, unterdrückte seine Beklemmung. Mit der Pinzette fasste er nach den Stiften und Schrauben, nach all den Teilchen, die er seit Jahren
wie im Schlaf in diese kleinen Keramik- und Emailkästchen eingebaut hatte. Hier nun aber musste er seine ganze Konzentration zusammennehmen, um nichts fallen zu lassen, um die richtigen Schrauben und Stifte und Federn an die richtigen Orte zu bringen. Die vielen, schweren, leicht nach Moder riechenden Bücher im Rücken, die ihn verschlingenden Sperberaugen dieses Hoforgelbauers Montallier vor sich, ohne irgendeine Aussicht auf Flucht, so montierte Jean-Louis, nass vor Schweiß, ein Teilchen nach dem anderen in dieses Exemplar der Rose Blanche, die in ihrer Perfektion alle Vorgänger übertraf.
    Schließlich legte Jean-Louis erleichtert die fertig montierte Rose Blanche an die vordere Kante des

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