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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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schier unmenschlicher Kraft stemmt er sich gegen mein Handgelenk und lenkt die Klinge von sich weg. Eine gewaltige Woge schleudert das Boot hoch, das plötzlich querab in den Wellen liegt und zu kentern droht. Wasser schwappt ins Boot und reißt mich von Corentin weg. Ich pralle mit der Schulter schmerzhaft gegen die Bootskante und bleibe wie benommen liegen, dann richte ich mich wieder auf.
    Alessandra beobachtet uns gebannt, die Armbrust im Anschlag.
    »Tu, was ich dir gesagt habe!«, brülle ich hinüber. »Los! Hau ab!«
    Mit einem wütenden Schrei wirft Corentin sich von hinten auf mich und reißt mich um. Das übergekommene Wasser spritzt mir über das Gesicht. Es ist so tief, dass ich darin ertrinken kann, wenn er es schafft, mich zu überwältigen.
    Während er mit seinem Dolch auf mich einsticht, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie sich das zerrissene Segel der Enez Eusa mit Wind füllt und das Boot langsam Fahrt aufnimmt.
    Wir drehen, von den Wellen, die uns mit Wucht querab erwischen, zur Seite gedrückt. Die Saint-Benoît krängt jetzt sehr stark. Die Bootskante ist nur wenige Handbreit über der Wasserlinie. Jede Woge, die über uns hinwegbrandet, schlägt mehr Wasser ins Boot. Wenn keiner von uns das Ruder übernimmt und das Boot zurück in den Wind dreht, werden wir kentern.
    Keine Zeit mehr!
    Mit dem Mut der Verzweiflung trete und schlage ich nach Corentin und stemme ihn von mir weg. Durch die Wucht einer Woge von mir fortgeschleudert taumelt er auf Knien rückwärts und ringt ums Gleichgewicht.
    Ich werfe mich auf ihn. Er liegt unter mir und kämpft um sein Leben. Seine Waffe hat er beim Sturz verloren, sie liegt irgendwo im Wasser vor der Bootskante. Ein Hieb trifft mich ins Gesicht und lässt meine Zähne knirschen. Benommen kippe ich zur Seite ins überschwappende Wasser, als die nächste Welle das Boot noch weiter herumreißt.
    Wir liegen jetzt querab zu den Brechern. Mast und Segel berühren fast die schäumenden Wellenkämme.
    Bei der Schräglage fällt es mir schwer, mich wieder aufzurichten. Ich schließe die Augen und atme tief durch.
    Zeit für ein letztes Gebet, bevor wir sterben.
    Corentin gelingt es, sich freizukämpfen. Auf allen vieren rutscht er über das steile Deck und tastet im Wasser nach seinem Dolch.
    Plötzlich, wie aus dem Nichts, türmt sich eine riesige schwarze Wasserwand über uns auf.
    Krachend stürzt sie auf uns nieder. Sie schleudert uns mit großer Wucht quer über das Boot, dann reißt mich die schäumende Hölle über die Bootskante hinweg ins tosende Meer. Wirbelnd schlagen die Wellen über mir zusammen.
    Prustend komme ich wieder hoch, als schon der nächste Brecher über das Boot hinweg auf mich niederbrandet. Nichts als brodelndes Wasser um mich herum. Ich komme wieder hoch und blinzele mir das Salz aus den Augen. Die Saint-Benoît richtet sich nur langsam wieder auf.
    Corentin zieht sich an der Pinne hoch und sieht zu mir herüber. Zehn Yards. Elf. Zwölf. Die Strömung erfasst meine Kukulle, und ich treibe schnell ab.
    Nach einem langen Blick steckt er seinen Dolch ein, lässt sich auf die Bank fallen, nimmt die Schot und dreht das schwerfällig in der Dünung rollende, kaum noch seetüchtige Boot in den Wind. Das Segel füllt sich. Die Saint-Benoît nimmt Fahrt auf, erst unmerklich, dann immer schneller. Eine Welle reißt den Bug hoch, doch Corentin hält seinen Kurs. Er dreht auf Nordwest, um Alessandra zu folgen.
    Schon bald kann ich die beiden Boote zwischen den hohen Wellen nicht mehr sehen.
    Ich bleibe allein zurück.
    Die schwere Kukulle zieht mich nach unten. Während eine Welle mich hochreißt und mit Donnergetöse wieder hinabschleudert, ziehe ich alles aus, Kukulle, Skapulier, Habit und Sandalen, und schwimme im leinenen Untergewand im lähmend kalten Wasser.
    Eine Weile gelingt es mir, die Tränen zurückzuhalten, aber dann packen mich Verzweiflung und Traurigkeit. So muss mein Vater sich gefühlt haben, bevor er vor der Küste von Enez Eusa ertrank. Vergeblich wollte ich ihn retten.
    So hoffnungslos. So verloren. So einsam.
    Der Gedanke an den Tod allein auf hoher See wird übermächtig.

Das letzte Gericht
    Und ich sah einen Engel hoch oben im Himmel.
Und er sprach mit lauter Stimme:
Fürchtet Gott!
Denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen!
    Apokalypse des Johannes

Alessandra
Kapitel 87
    An Bord von Yannics Boot
Am frühen Nachmittag
    Jede Seemeile muss ich mir dreifach erarbeiten, indem ich gegen den Wind kreuze. Noch habe ich das Boot nicht

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