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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Dunkelheit. Wo steckt er?
    In geduckter Haltung husche ich durch den Saal, haste die lange Reihe der Schreibpulte entlang, dann habe ich die Tür erreicht. Sie ist offen.
    Keine Spur von dem Mönch.
    Langsam gehe ich die Stufen hinauf und spähe in die Galerie. Leider kann ich nicht allzu weit sehen. Als ich mich durch die Tür schiebe, passe ich auf, damit ich auf dem mit Stufen durchsetzten Boden nicht stolpere und stürze.
    Geradeaus vor mir ist die Treppe mit dem Fenster aus zerfetztem Pergament, durch das ich vorhin geklettert bin, um in die Krypta der dicken Pfeiler zu gelangen. Die Stufen nach oben verlieren sich in der Dunkelheit.
    Der matte Lichtschein, der die Treppengalerie beleuchtet, fällt aus dem Gästesaal links von mir, wo noch immer die Stundenkerze brennt.
    Ich werfe einen Blick in den Saal, doch er scheint verlassen zu sein. Meine Satteltaschen, die gefälschten Beglaubigungsschreiben, das zerwühlte Bett, alles ist unverändert. Wohin ist er verschwunden? Ich gehe wieder hinunter und wende mich mit entschlossenen Schritten zum anderen Ende des Saals, wo sich die kleine Kapelle Sainte-Madeleine befindet. Leise schiebe ich die Tür auf und trete ein.
    Den Altar vor den hohen Fenstern aus buntem Glas kann ich erst erkennen, als ich unmittelbar davor stehe. Trotz des Sturms ist es so still, dass ich unwillkürlich den Atem anhalte. Ich spähe hinter den mit rotem Samt gepolsterten Betstuhl, aber dort ist niemand.
    Also zurück in den Gästesaal und in die Galerie!
    Plötzlich habe ich das Gefühl, dass ich mich ganz still verhalten sollte. Eine Minute vergeht, dann eine zweite. Mein Herz hämmert in meiner Brust, und das Blut rauscht in meinen Ohren.
    Da ist wieder das Rascheln! Woher, zum Teufel, kommt es?
    Ich blicke mich um.
    Neben dem Portal zum Scriptorium gibt es noch eine kleinere Tür zu einem Gang, durch den die Könige und ihr Gefolge vom Gästesaal hinauf in die Abteikirche gehen konnten, ohne die Klausur der Mönche zu betreten und die Fratres bei ihrer Arbeit im Scriptorium zu stören.
    Mit der einen Hand halte ich den Dolch, während ich mit der anderen die Tür öffne. Der schmale Korridor scheint dunkel und verlassen zu sein.
    Schritt für Schritt taste ich mich durch die undurchdringliche Finsternis, die linke Hand fährt am rauen Mauerwerk entlang, die rechte Hand streckt den Dolch vor mir aus.
    Als die Stundenkerze im Gästesaal, deren matter Schein gerade noch bis hierher dringt, plötzlich zu flackern beginnt, verliere ich die Nerven. »Verflucht!«
    Regungslos bleibe ich stehen. Mit angehaltenem Atem lausche ich in das Tosen und Heulen des Sturms, das hier nur ganz leise als Säuseln zu hören ist.
    Das Licht hinter mir wird wieder schwächer, flackert auf und droht zu verlöschen.
    Ein Knarzen, wie von Holz – nebenan im Scriptorium!
    Ich wirbele herum, haste zurück in den Saal und schlage die Tür hinter mir zu.
    Leise Schritte, die sich rasch entfernen.
    Er ist mir durch die andere Tür entwischt und hetzt zum Promenoir, dem Wandelgang der Mönche. Oder zur Krypta der dreißig Kerzen. Oder zum Kreuzgang oberhalb des Scriptoriums. Oder zur Kirche. Oder weiß der Teufel wohin – diese Abtei ist ein Labyrinth auf drei Ebenen, mit mehr Räumen als ein Schweizer Käse Löcher hat! Von den zugemauerten Gewölben und den geheimen Gängen, die auf dem Lageplan von Guillaume d’Estouteville verzeichnet sind, gar nicht zu reden!
    In diesem Durcheinander übereinandergetürmter Krypten und Kapellen, Lagerräumen und Zisternen, Sälen und Galerien, versteckten Gärtchen und einem Beinhaus voller Knochen jemanden zu suchen, der nicht gefunden werden will? Völlig aussichtslos!
    Ich stecke den Dolch ein und gehe zu meinem Lesepult zurück.
    So langsam werde ich wirklich wütend!
    Das Pult ist verwüstet. Das Tintenfass ist umgekippt, die Tinte rinnt über die Holzplatte und tropft auf die Schreibfedern, die verstreut auf dem Boden liegen.
    Die Chronik, in der ich eben noch gelesen habe, ist verschwunden. Und auch mein Notizbuch.
    Ein Schlurfen!
    Ich fahre herum. Schritte nähern sich aus dem Promenoir.
    Es ist nicht der Assassino. Es ist der Mönch, der vorhin so herzzerreißend geweint hat.
    Meine Hand tastet nach dem Dolch, während ich durch den Saal haste und in den Schatten verschwinde.

Yannic
Kapitel 6
    In der Krypta der dicken Pfeiler
Zehn Minuten vor ein Uhr nachts
    Schritt für Schritt kommt der Prior bedrohlich langsam näher. Im Flackerlicht der Blitze funkelt sein Dolch.

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