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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Gedanken, die mich zu Eis erstarren lassen. Ich denke an den Tod. Nicht an Yareds und Elijas Tod, sondern an meinen eigenen. In diesen Augenblicken bin ich ganz allein, Gott ist nicht da. Auch wenn Tommaso mir etwas anderes vorflunkert, um mich zu trösten.
    Die Traurigkeit überwältigt mich, und ich versinke in der Tiefe eines bodenlosen schwarzen Ozeans. Einer grenzenlosen eisig kalten Leere, die keinen Platz für einen anderen Gedanken lässt als an die Trauer um den geliebten Menschen und an den Schmerz der im Herzen erfrorenen Gefühle. Ich kann nicht anders, ich muss weinen, es tut einfach zu weh. Ich muss niemandem beweisen, dass ich das alles mit einem tapferen Lächeln durchstehen kann, die Erinnerungen, die ich bewahren, und den Horror, den ich so gern vergessen will, die Traurigkeit, die Einsamkeit, die Sehnsucht nach einer zärtlichen Berührung, die Leere neben mir im Bett – niemandem muss ich vormachen, dass ich stark bin. Oder gefasst. Schluchzend berge ich mein Gesicht in den Händen und weine.
    Tysons Maunzen lässt mich zusammenzucken.
    Yannics Kater guckt mich mit großen Kulleraugen an.
    Ich trockne meine Tränen und streichele ihn, und er schmiegt seinen Kopf in meine Hand. »Miau!«
    »Ist schon gut, Tyson. Alles bestens. Mir geht’s gut – so gut es mir in meiner kleinen privaten Hölle eben gehen kann.«
    Schniefend blättere ich weiter durch die blutigen Höllenfantasien dieses erbarmungslosen Schlächters.
    Dann die letzte Seite: keine Skizze, kein Name, kein Datum. »Aufzeichnungen über die Hinrichtungen auf Yvains Bitte abgebrochen, Dezember 1446.«
    »Sieh mal einer an. Das hab ich doch schon mal irgendwo gelesen. Es gibt also noch mehr Tote.«
    Ich schnüre die Skizzen wieder zusammen und werfe das Bündel zurück ins Loch.
    Ratlos gehe ich ins Scriptorium zurück und rutsche auf die Holzbank des Lesepults, weil ich noch einmal in der Purpurchronik blättern will.
    Tyson hopst hinauf, dreht sich einige Male um sich selbst und legt sich schließlich neben mich.
    Ich streichele ihn, während ich die letzten Eintragungen der Klosterchronik überfliege. Kein Wort zu den Morden. Die Namen der Opfer kann ich in den Namenslisten der Mönche nicht finden. Sie sind offenbar getilgt worden. Nachdenklich blättere ich zurück zur weggekratzten Schrift auf der zerrissenen Seite mit dem Fluch.
    Plötzlich sehe ich es. Unscheinbar steht es am oberen Seitenrand: Vittorinos Handzeichen, ein verschnörkeltes hebräisches Zeichen. Bevor Papst Nikolaus ihn nach Rom berief, war Vittorino der Leiter meines Scriptoriums in Florenz. Ich kannte ihn seit vielen Jahren, seit ich mit meinem Vater das Unternehmen mit der großen Bibliothek aufgebaut habe.
    Vittorino hat diese Seite gelesen.
    Was hat er herausgefunden, bevor er ermordet wurde? Hat er den satanischen Kodex gelesen? Wurde er deshalb hingerichtet?
    Wo ist sein Leichnam?
    Und sein Notizbuch? Wie ich hatte Vittorino immer ein ledergebundenes Büchlein bei sich, in dem er seine Notizen niederschrieb – Abschriften aus Büchern, Aussagen von Zeugen, Skizzen und Lagepläne.
    Ein Strom von Gedanken stürzt auf mich ein. Mir schwirrt der Kopf. Wer, zur Hölle, hat dieses Notizbuch? Der Mörder? Oder Yannic, dem Vittorino es vielleicht anvertraut hat, bevor er in dessen Armen starb? Aber Yannic hat mir das Büchlein, das er mit Sicherheit nicht lesen kann, bisher nicht übergeben. Er hat es eigentlich nicht einmal erwähnt. Will er es mir nicht geben? Oder hat Vittorino es ihm nie anvertraut? Jede Antwort wirft eine neue Frage auf, eine gefährlicher als die andere.
    Ich muss Vittorinos Grab finden. Vermutlich steckt das Notizbuch, das mich zum Testament des Satans führen kann, noch in seiner Tasche.
    Ein Feuerwerk von Blitzen, ein infernalisches Lodern, erhellt das Scriptorium. Im kühlen Luftzug beginnt die Kerze wie irre zu flackern.
    Tyson hebt den Kopf und blickt in Richtung der Tür, die zur Treppengalerie führt. Er richtet sich auf. Seine Augen verengen sich. Die Nackenhaare sind gesträubt, die Muskeln angespannt. Ich spüre seine Unruhe. Und seine Krallen auf meinen Beinen.
    Was ist dort?
    Plötzlich schnellt Tyson hoch, springt von meinem Schoß und flitzt durch das Scriptorium. Dann ist er in den Schatten verschwunden.
    Der Mönch ist gekommen, um mich zu töten.
    Mein Herz pumpt Eiskristalle durch meine Adern. Ich spanne die Schultern an, ziehe meinen Dolch und stehe vorsichtig auf.
    Ein Geräusch – nahe der Tür.
    Ich blinzele in die

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