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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der mit Holzbauten besetzten Straßen hingehen oder auf den verkehrsarmen Quais umherspazieren konnte, verging die Zeit unendlich langsam. Da nun die Depesche, die die nächste Reise vorschreiben sollte, erst am 19. zu erwarten war, mußte sich einer mit unendlicher Geduld rüsten, um die noch übrigen sieben langen Tage auszuhalten.
    Und doch bot sich dem Titbury’schen Ehepaar hier die verlockendste Gelegenheit zu einem Abstecher ins Ausland, da sie dazu nur den Saint-Croixstrom, dessen linkes Ufer zur Dominion of Canada gehörte, zu überschreiten brauchten.
    Hermann Titbury war auch ein solcher Gedanke gekommen und am Morgen des 13. machte er sogar einen dahin zielenden Vorschlag.
    »Nein, zum Kuckuck mit diesem Hypperbone! rief er ärgerlich, warum mußte er auch grade die unangenehmste Stadt von Maine wählen, um dahin die Partner zu verbannen, die das Unglück haben, zu Anfang der Partie die Nummer zwei zu bekommen!
    – Vorsichtig, Hermann! ermahnte ihn Kate Titbury mit leiser Stimme. Wenn Dich nun jemand hörte… Da das Geschick uns einmal nach Calais verschlagen hat, werden wir wohl oder übel in Calais so lange wie nöthig aushalten…
    – Ist es uns denn nicht einmal erlaubt, die Stadt zeitweise zu verlassen?
    – Gewiß… doch mit der Einschränkung, nie über das Bundesgebiet hinauszugehen.
    – So ist es uns also schon verboten, das andre Flußufer zu besuchen?
    – Unbedingt verboten, Hermann. Das Testament schreibt ausdrücklich vor, daß die Partner innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten zu bleiben haben.
    – Und wenn’s geschähe, wer wüßte es wohl? warf Mr. Titbury ein.
    – Ich begreife Dich nicht, Hermann! erwiderte die Matrone mit schon lauterer Stimme. Bist Du es wirklich, den ich sprechen höre?… Ich erkenne Dich gar nicht mehr!… Und wenn man nun später erführe, daß wir die Grenze überschritten hatten?… Oder wenn irgend ein Unfall uns jenseits derselben zurückhielte?.. Wenn wir zur entscheidenden Zeit – am 19. – nicht wieder hier wären?… Doch gleichgiltig… ich will es nicht!«
     

    »Wissen Sie denn, mit wem Sie es zu thun haben?…« (S. 133.)
     
    Die herrschsüchtige Mrs. Titbury hatte offenbar recht, es nicht zu wollen. Weiß einer denn vorher, was sich in der nächsten Zeit ereignen mag?…
    Nehme man einmal an, es erfolge ein Erdbeben… Neubraunschweig löste sich vom Festlande… dieser Theil Amerikas erlitte eine Lagenveränderung… zwischen den beiden Ländern entstände ein gähnender Abgrund… wie hätte einer dann am bestimmten Tage im Telegraphenamte nachfragen können, und liefe er nicht Gefahr, von dem Match ausgeschlossen zu werden?…
    »Nein, den Strom können und dürfen wir nicht überschreiten, erklärte Mrs. Titbury mit größter Bestimmtheit.
    – Ja, Du hast recht, das können wir nicht, lenkte Herr Titbury ein, und ich weiß jetzt gar nicht, wie ich auf einen solchen Gedanken gekommen bin. Wahrhaftig. seit der Abreise von Chicago bin ich gar nicht mehr ich selbst!… Diese verwünschte Fahrt hat mich zu stark angegriffen. Wir, die wir bis jetzt aus unserem Hause in der Robey Street kaum um eine Nasenlänge herausgeguckt haben… wir unternehmen plötzlich – und in unseren Jahren! – so weite Reisen! Nein, wär’ es nicht vielleicht vernünftiger gewesen, zu Hause zu bleiben und die ganze Geschichte abzuschlagen?
    – O, sechzig Millionen Dollars sind es schon werth, einmal die gewohnte Bequemlichkeit zu opfern! erklärte Frau Titbury. Du wiederholst Dich etwas zu oft, Hermann!«
    Jedenfalls wurde Saint-Stephen, der Stadt der Dominion, die am entgegengesetzten Ufer des Saint-Croix liegt, die Ehre, das Titbury’sche Ehepaar zu empfangen, vorläufig nicht zu theil.
    Man sollte nun meinen, daß so vorsichtige, so überaus kluge Leute, die weit mehr Garantien boten, als die anderen Partner, gegen jeden unangenehmen Zwischenfall geschützt wären, daß sie sich nie bei einem Fehltritt ertappen ließen und daß ihnen nichts widerfahren könnte, was ihre Aussichten auf Erfolg trübte. Der Zufall liebt es freilich, grade mit den Vorsichtigsten zu scherzen, ihnen Fallen zu stellen, denen sie mit all ihrer Weisheit nicht entgehen, und es ist deshalb nur vernünftig, immer mit ihm zu rechnen.
    Am Morgen des 14. fiel es nun Herrn und Frau Titbury ein, noch einen kleinen Ausflug zu unternehmen. Natürlich sollte sich dieser nicht weit, höchstens bis zwei oder drei Meilen von Calais ausdehnen. Nebenbei bemerkt, hat diese Stadt ihren

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