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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Sheridan Street auf und ab stampfte und dessen Fenster mit den Blicken verschlang. Jovita Foley bemerkte auch noch ganz deutlich, daß der ihn begleitende, noch unruhigere Mann die Hände ballte, als ob er sich gar nicht mehr zu beherrschen wüßte.
    Unter den Nahestehenden verlautete da, daß die Krankheit Lissy Wag’s nur auf ein unbedeutendes Unwohlsein hinauslaufe.
    »Welcher Schwachkopf hat das behauptet?« fuhr er wüthend auf.
    Der betreffende »Schwachkopf« unterließ es, aus Furcht, es könne ihm übel mitgespielt werden, sich zu erkennen zu geben.
    »Schlecht… schlecht geht es mit ihr! erklärte der Commodore Urrican.
    – Und wird noch immer schlechter! setzte sein Begleiter hinzu. Wer nur das Gegentheil zu behaupten wagt…
    – So fasse Dich doch, Turk!
    – Ich… mich fassen? entgegnete Turk, dessen Augen in Tigerwuth aufflammten. Das mag leicht sein für Sie, Commodore, für den geduldigsten Menschen auf Gottes Erdboden! Mich aber, wenn ich solch dummes Zeug höre, mich bringt’s außer Rand und Band, und wenn ich mich einmal nicht mehr halten kann…
    – Nun ja, doch nun genug!« befahl Hodge Urrican, der seinen Begleiter am Arme schüttelte, als wolle er ihn ausreißen.
    Wenn man solche Reden hörte, mußte man fast glauben – früher hätte es niemand für möglich gehalten – daß hienieden noch ein Mensch existierte, neben dem der Commodore Hodge Urrican der reine Engel der Sanftmuth wäre.
    Beide waren übrigens nur hierher gekommen in der Hoffnung, schlechte Nachrichten zu erhalten und sich zu vergewissern, daß das Match Hypperbone nur zwischen sechs Partnern ausgespielt werde.
    Das sagte sich auch Jovita Foley, die große Mühe hatte, nicht auf die Straße hinunter zu stürzen. Sie verspürte das größte Verlangen, die beiden Männer zu behandeln, wie sie es verdienten, selbst auf die Gefahr hin, von dem Tiger in Menschengestalt zerfleischt zu werden.
    Infolge dieser Verhältnisse waren die Mittheilungen der bedeutendsten Blätter, die um sechs Uhr abends erschienen, voll der seltsamsten Widersprüche.
    Nach den einen hatte sich das Unwohlsein Lissy Wag’s schon nach den ersten ärztlichen Verordnungen gehoben, und die Abfahrt des jungen Mädchens würde sich nicht um einen Tag verzögern.
    Nach anderen zeigte die Krankheit wenigstens keinen ernsten Charakter; nur verlangte sie eine gewisse Zeit der Ruhe, und Miß Wag werde vor Ende der Woche nicht abreisen können.
    Gerade die dem jungen Mädchen sonst günstig gestimmten Zeitungen, der »Chicago Globe« und der »Chicago Evening«, schienen am besorgtesten zu sein. Sie sprachen von einer Consultation der »Leuchten der Wissenschaft«, von einer vorzunehmenden Operation… Miß Wag habe den Arm gebrochen – sagte die eine – ein Bein gebrochen – berichtete die andere. Endlich war sogar ein anonymer Brief an den Notar Tornbrock, den Testamentsvollstrecker des Heimgegangenen, geschrieben worden, der ihm meldete, daß die fünfte Partnerin auf den ihr möglicherweise zufallenden Theil der Erbschaft verzichte.
    Die »Chicago Mail«, deren Redacteure die Sympathien und Antipathien des Commodore Urrican theilten, verstiegen sich selbst bis zu der Erklärung, daß Lissy Wag zwischen vier Uhr fünfundvierzig und vier Uhr siebenundvierzig Minuten des Nachmittags den letzten Seufzer ausgehaucht habe.
    Als Jovita Foley von diesen Mittheilungen Kenntniß erhielt, wäre sie bald selbst noch krank geworden. Der Doctor Pughe, der am Abend wiederkam, wußte sie aber in dieser Hinsicht zu beruhigen.
    Auch bezüglich der Miß Lissy Wag wiederholte er, daß es sich nur um eine einfache Bronchitis handle. Es habe sich bisher kein Symptom der bösen Pneumonie oder der gefürchteten Lungencongestion gezeigt… wenigstens bis zur Stunde nicht… und es würden einige Tage der Ruhe genügen…
    »Wieviel denn?
    – Vielleicht sieben bis acht Tage.
    – Sieben bis acht!
    – Und unter der Bedingung, daß sie sich keinem Luftzuge aussetzt.
    – Sieben bis acht Tage! wiederholte die unglückliche Jovita Foley, vor Verzweiflung die Hände ringend.
    – Und das auch nur, wenn keine ernsten Complicationen eintreten!«
    Die Nacht verlief nicht besonders gut. Das Fieber meldete sich wieder; der Anfall hielt bis zum Morgen an und löste sich in einem reichlichen Schweiß auf. Jedenfalls schien das Luftröhrenleiden aber etwas gemildert und der Auswurf ging ohne größere Anstrengung von statten.
    Jovita Foley legte sich gar nicht nieder; sie verbrachte die

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