Das Testament
später traf Welly in der Kanzlei ein. Er kannte Senhor Ruiz nicht, wusste aber von Jevy, dass der Anwalt für die Kosten der Expedition aufkam.
»Es ist sehr wichtig«, sagte er der Sekretärin. »Und dringend.«
Senhor Ruiz bekam die Unruhe im Vorzimmer mit und trat aus seinem Büro. »Wer bist du?« wollte er wissen.
»Ich heiße Welly. Jevy hat mich als Leichtmatrose auf der Santa Loura eingestellt.«
» Auf der Santa Loura?«
»Ja.«
»Wo ist Jevy?« . .
»Im Pantanal.«
»Und das Boot?«
»Das ist untergegangen.«
Der Anwalt merkte, wie müde und verängstigt der Junge war. »Setz dich«, sagte er, und die Sekretärin lief, um Wasser zu holen. »Erzähl alles der Reihe nach.«
Welly umklammerte die Armlehnen des Sessels, auf dem er saß, und sprach schnell.
»Jevy und Mr. O’Riley sind mit dem Beiboot aufgebrochen, um die Indianer zu suchen.«
»Wann war das?«
»Weiß ich nicht genau. Vor ein paar Tagen. Ich sollte auf der Santa Loura bleiben. Ein Unwetter, das schlimmste, das ich je erlebt habe, hat das Boot mitten in der Nacht vom Ufer losgerissen und zum Kentern gebracht. Ich bin ins Wasser gefallen. Ein Viehtransportboot hat mich später rausgefischt.«
»Wann bist du hier angekommen?«
»Erst vor einer halben Stunde.«
Die Sekretärin brachte ein Glas Wasser. Welly dankte ihr und bat um Kaffee. Auf den Schreibtisch der Sekretärin gestützt, betrachtete der Anwalt den armen Jungen. Er war schmutzig und roch nach Kuhmist.
»Das Boot ist also verloren?« fragte Valdir.
»Ja. Tut mir leid. Ich konnte nichts machen. Ich habe so ein Unwetter noch nie erlebt.«
»Und wo war Jevy bei dem Unwetter?«
»Irgendwo auf dem Cabixa. Ich mache mir Sorgen um ihn.«
Senhor Ruiz ging in sein Büro, schloss die Tür und trat erneut ans Fenster. Mr.
Stafford war fünftausend Kilometer entfernt. Jevy konnte in einem kleinen Boot überleben. Es gab keinen Anlass, übereilte Schlüsse zu ziehen.
Er beschloss, erst einmal einige Tage nichts zu unternehmen. Gewiss würde Jevy bis dahin nach Corumba zurückkehren.
Der Indianer stand im Boot und hielt sich an Nates Schulter fest. Der Motor lief nicht erkennbar besser als vorher. Er stotterte, hatte Aussetzer und brachte bei Vollgas weniger als die Hälfte der anfänglichen Leistung zustande.
Sie fuhren an der ersten Indianeransiedlung vorüber. Der Fluss schlängelte sich in einer Weise, dass man annehmen konnte, er drehe sich im Kreise. Dann gabelte er sich, und ihr Begleiter wies ihnen die Richtung. Zwanzig Minuten später sahen sie ihr kleines Zelt. Sie legten dort an, wo Jevy zuvor sein Bad genommen hatte, brachen das Zelt ab und begaben sich mit ihrer Habe ins Dorf. Dort wollte der Häuptling sie haben.
Rachel war noch nicht zurück.
Weil sie nicht zum Stamm gehörte, lebte sie nicht in einer der Hütten um den Dorfplatz, sondern etwa dreißig Meter entfernt allein, näher am Waldrand. Ihre Hütte wirkte kleiner als die übrigen, und als sich Jevy nach dem Grund dafür erkundigte, erklärte der Indianer, den man ihnen zugeteilt hatte, schließlich lebe sie allein. Während sie zu dritt - Nate, Jevy und ihr Indianer – unter einem Baum am Rande des Dorfes auf Rachel warteten, sahen sie dem täglichen Treiben zu.
Der Indianer hatte von den Coopers, dem Missionars-Ehepaar, das vor Rachel da gewesen war, Portugiesisch gelernt. Außerdem kannte er eine Handvoll englischer Wörter, die er ab und zu an Nate ausprobierte. Vor den Coopers hatten die Ipicas noch nie einen Weißen gesehen. Mrs. Cooper war an Malaria gestorben, und Mr.
Cooper war dorthin zurückgekehrt, woher er gekommen war.
Die Männer seien beim Fischfang und auf der Jagd, erklärte er den Gästen, und die Jüngeren hätten sich zweifellos zu ihren Freundinnen geschlichen. Den Frauen oblag die schwere Arbeit - Kochen, Backen, Waschen und die Aufsicht über die Kinder. Aber was auch immer es war, jede Tätigkeit wurde gemächlich erledigt.
Bereits südlich des Äquators verging die Zeit langsamer als im Norden, aber den Ipicas war der Begriff Zeit völlig fremd.
Die Türen der Hütten blieben offen, und die Kinder rannten aus einer in die andere. Junge Mädchen flochten sich im Schatten gegenseitig Zöpfe, während ihre Mütter am Feuer arbeiteten.
Das Äußere der Hütten sah sauber und gepflegt aus. Gemeinsam benutzte Flächen wurden mit Strohbesen gekehrt. Ganz allgemein schienen die Ipicas großen Wert auf Sauberkeit zu legen. Frauen und Kinder badeten dreimal täglich im Fluss;
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