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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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dieser Kirche. Rachel musste sich unbedingt zu ihm setzen, seine Hand halten und ihm beten helfen.
    Er hasste seine Schwächen. Er zählte sie eine nach der anderen auf, und die Länge der Liste betrübte ihn. Die Dämonen warteten zu Hause auf ihn - die guten und die schlechten Freunde, die Orte, an denen er sich aufzuhalten pflegte, und die Gewohnheiten, denen er anhing, der Druck, dem er nicht länger standhalten konnte. Weder vermochte er für tausend Dollar am Tag ein Leben mit den Sergios dieser Welt zu führen, noch eines, bei dem er frei auf der Straße umherzog.
    Jetzt betete der junge Mann, die Augen fest geschlossen, während er die Arme flehend zum Himmel erhob. Auch Nate schloss die Augen und sagte den Namen Gottes. Gott wartete auf ihn.
    Mit beiden Händen umklammerte er die Lehne der Bank vor ihm. Murmelnd wiederholte er die Liste, sagte leise jede Schwäche, jede Sünde, jede Qual und jedes Übel vor sich hin, die ihn heimsuchten. Er beichtete alles. In einem einzigen langen Bekenntnis seines Versagens stellte er sich nackt und bloß vor Gott hin. Er verschwieg nichts. Er lud so viele Bürden ab, dass sie genügt hätten, drei Männer unter sich zu begraben. Als er schließlich endete, standen ihm Tränen in den Augen. »Es tut mir leid«, flüsterte er Gott zu. »Bitte hilf mir.«
    Ebenso rasch, wie das Fieber seinen Körper verlassen hatte, fühlte er seine Seele von ihrer Last befreit. Mit einer sanften Handbewegung war sein Sündenregister getilgt. Er stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, aber sein Puls jagte.
    Wieder hörte er die Gitarre. Er öffnete die Augen und wischte sich die Wangen.
    Jetzt sah er nicht den jungen Mann auf der Kanzel, sondern das von Leid und Schmerz verzerrte Gesicht Christi, der am Kreuz starb. Für ihn.
    Eine Stimme rief ihn. Sie kam aus seinem Inneren und wollte ihn durch den Mittelgang der kleinen Kirche führen. Aber die Aufforderung verwirrte ihn. In ihm lagen viele Empfindungen im Widerstreit miteinander. Mit einem Mal waren seine Augen trocken.
    Warum weine ich eigentlich in einer kleinen Kapelle, in der es heiß ist, und höre mir Musik an, die ich nicht verstehe, in einer Stadt, die ich nie wiedersehen werde? Die Fragen bestürmten ihn, ohne dass er eine Antwort darauf fand.
    Es war schön und gut, dass Gott ihm seine verblüffende Zahl von Missetaten vergab, und es kam Nate tatsächlich so vor, als wäre seine Last leichter geworden - aber dass von ihm erwartet wurde, die Nachfolge Christi anzutreten, dieser Schritt war sehr viel schwerer zu vollziehen.
    Während er weiter der Musik zuhörte, fühlte er sich verwirrt. Es war unmöglich, dass Gott ihn rief. Er war Nate O’Riley - Säufer, Drogensüchtiger, Weiberheld, ein Vater, der seine Kinder vernachlässigte, ein schlechter Ehemann, ein habgieriger Anwalt, ein Steuerbetrüger. Die traurige Liste hörte überhaupt nicht auf.

    Ihm war schwindelig. Die Musik hörte auf, und als sich der junge Mann daran machte, ein weiteres Lied anzustimmen, verließ Nate die Kirche in aller Eile.
    Während er eine Ecke umrundete, warf er einen Blick hinter sich. Er hoffte, Rachel zu sehen, wollte sich aber auch vergewissern, dass ihm Gott nicht jemanden nachschickte.
    Er musste mit jemandem reden. Er war sicher, dass sie sich in Corumba aufhielt, und er nahm sich vor, sie unter allen Umständen zu finden.

    ACHTUNDDREISSIG

    Ein despachante ist unabdingbarer Bestandteil des Lebens in Brasilien. Keine Firma, Bank, Anwaltskanzlei oder Arztpraxis, keine Privatperson, die über Geld verfügt, kann ohne die Dienste eines despachante auskommen. Er ist das Schmiermittel im Getriebe eines Landes, in dem eine überholte Bürokratie wuchert, er kennt nicht nur die Beamten der Stadtverwaltung, sondern auch jeden bei Gericht, alle Zollbeamten und jeden anderen Amtsträger. Er durchschaut das System und weiß, wie man sich seiner bedient. In Brasilien kann man ohne endlos langes Schlangestehen kein amtliches Dokument bekommen, und der despachante ist derjenige, der sich für andere in die Schlange stellt. Gegen eine kleine Gebühr wartet er acht Stunden lang, um die Autozulassung zu verlängern, und klebt dann seinem Auftraggeber die Plakette an die Windschutzscheibe, während dieser seiner Arbeit im Büro nachgeht. Er wählt für andere, erledigt Bankgeschäfte, fertigt Paket- und Briefsendungen ab - die Liste ist endlos.
    Kein bürokratisches Hindernis ist für ihn unüberwindbar.
    Ganze Unternehmen von despachantes preisen

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