Das Testament
anfangen, kann das aber erst tun, wenn er von Rachel gehört hat.
Sobald du als ihr Anwalt auftrittst, fängt der Krieg an. Das Lügen überlass mir.«
»Das heißt, ich arbeite als Ein-Mann-Kanzlei an meinem letzten Fall.«
»So ist es.«
»Ich verlasse die Stadt, Josh. Ich kann hier nicht bleiben.« Nachdem Nate das gesagt hatte, lachte er. »Wo sollte ich denn auch wohnen?«
»Wohin willst du?«
»Ich weiß noch nicht. So weit habe ich noch nicht gedacht.«
»Ich habe eine Idee.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Zieh doch in mein Sommerhäuschen in St. Michaels an der Chesapeake Bay. Es steht im Winter sowieso leer. Es sind zwei Stunden bis dorthin, du kannst also herkommen, wenn du hier gebraucht wirst, und bei mir übernachten. Noch einmal, Nate, alles, was an Vorarbeiten nötig ist, erledigt die Kanzlei.«
Nate betrachtete eine Weile die Bücherregale. Erst vor vierundzwanzig Stunden hatte er auf einer Parkbank in Corumba ein Sandwich gegessen, den Vorüberkommenden zugesehen und darauf gewartet, dass Rachel auftauchte. Er hatte sich geschworen, nie wieder freiwillig einen Gerichtssaal zu betreten.
Aber widerwillig räumte er ein, dass der Plan etwas für sich hatte. Einen besseren Mandanten als Rachel konnte er sich auf keinen Fall wünschen. Der Fall würde nie vor Gericht kommen. Und bei den Beträgen, um die es ging, hatte er die Möglichkeit, zumindest einige Monate lang seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Josh beendete seine Suppe und sprach den nächsten Punkt auf der Tagesordnung an.
»Ich schlage vor, dass du zehntausend Dollar im Monat bekommst.«
»Das ist großzügig, Josh.«
»Ich denke, dass wir das aus dem Nachlass des Alten rausquetschen können. Da du keine laufenden Kosten hast, kannst du damit wieder auf die Beine kommen.«
»Bis…«
»Genau, bis wir die Sache mit dem IRS klären.«
»Hast du schon was vom zuständigen Richter gehört?«
»Ich rufe ihn von Zeit zu Zeit an. Vorige Woche haben wir miteinander zu Mittag gegessen.«
»Ist das ein guter Kumpel von dir?«
»Wir kennen uns schon lange. Du musst auf keinen Fall ins Gefängnis, Nate. Man wird sich mit einer hohen Geldstrafe und einem fünfjährigen Entzug deiner Zulassung als Anwalt begnügen.«
»Meine Zulassung können sie haben.« »Noch nicht. Wir brauchen sie für einen weiteren Fall.« »Wie lange sind sie bereit zu warten?« »Ein Jahr. Es eilt ihnen nicht besonders damit.« »Danke, Josh.« Nate war wieder müde. Die Strapazen im Urwald, der Nachtflug, das anstrengende Gespräch mit Josh. Er sehnte sich nach einem weichen, warmen Bett in einem dunklen Zimmer.
NEUNUNDDREISSIG
Um sechs Uhr am Sonntag morgen nahm Nate seine dritte warme Dusche in vierundzwanzig Stunden und überlegte, wie er Washington möglichst rasch verlassen konnte. Eine Nacht in der Stadt hatte ihm genügt. Das Häuschen an der Bucht lockte ihn. Sechsundzwanzig Jahre war er in dieser Stadt zu Hause gewesen, jetzt, da er sich entschlossen hatte, ihr den Rücken zu kehren, konnte es ihm nicht schnell genug gehen.
Da er keine Wohnung auszuräumen hatte, ging der Umzug einfach vonstatten. Er suchte Josh und fand ihn in seinem Arbeitszimmer, wo er gerade mit einem Mandanten in Thailand telefonierte. Allem Anschein nach ging es um Erdgasvorkommen. Während Nate mithörte, war er froh, die Anwaltspraxis aufzugeben. Obwohl Josh steinreich war und zwölf Jahre älter als er, kannte er, wie es aussah, kein größeres Vergnügen, als um halb sieben am Sonntag morgen am Schreibtisch zu sitzen. Hoffentlich passiert mir das nicht, sagte Nate zu sich selbst. Doch ihm war klar, dass es nicht dazu kommen würde. Hätte er allerdings seine Arbeit in der Kanzlei wiederaufgenommen, würde es mit Sicherheit im alten Trott weitergehen. Vier Entziehungskuren bedeuteten nichts anderes, als dass die fünfte schon auf ihn wartete. Er war nicht so stark wie Josh und wäre bestimmt zehn Jahre später tot.
Sich all dem zu entziehen war aufregend. Auf das unangenehme Geschäft, Ärzte wegen Kunstfehlern zu verklagen, konnte er gut verzichten, und auch der hektische Betrieb einer Kanzlei, in der es zuging wie in einem Taubenschlag, würde ihm nicht fehlen. Er hatte seine Karriere und seine Triumphe hinter sich.
Der Erfolg hatte ihm nichts als Elend gebracht; er konnte nicht damit umgehen.
Der Erfolg hatte ihn in die Gosse geschickt.
Jetzt, da die Schreckensvorstellung, ins Gefängnis zu müssen, von ihm genommen war, konnte er sein neues Leben
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