Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
genießen.
    Er verließ Washington mit einen Kofferraum voll Kleidungsstücke; alles andere ließ er in einer Kiste in Joshs Garage zurück. Es hatte aufgehört zu schneien, aber die Schneepflüge hatten noch zu tun. Nach wenigen hundert Metern fiel Nate ein, dass er über fünf Monate lang kein Lenkrad in der Hand gehabt hatte. Es herrschte kaum Verkehr, und er kroch über die Wisconsin Avenue nach Chevy Chase, bis er den Beltway erreichte, der vollständig geräumt war.
    Als er allein in seinem eleganten Auto saß, kam er sich allmählich wieder wie ein Amerikaner vor. Er dachte an Jevy und seinen lauten, gefährlichen Pickup.
    Wie lange die beiden wohl auf dem Beltway überdauern würden? Er musste auch an Welly denken. Der Junge stammte aus einer Familie, die so arm war, dass sie nicht einmal ein Auto besaß. Nate nahm sich vor, in den nächsten Tagen Briefe zu schreiben, unter anderem einen an seine Reisegefährten aus Corumba.
    Sein Blick fiel auf das Telefon. Er nahm den Hörer ab: Es schien zu funktionieren. Natürlich hatte Josh dafür gesorgt, dass die Rechnungen bezahlt wurden. Er rief Sergio zu Hause an, und sie sprachen zwanzig Minuten lang miteinander. Er musste sich Vorwürfe anhören, weil er sich nicht früher gemeldet hatte. Sergio hatte sich Sorgen gemacht. Nate schob alles darauf, dass es im Pantanal keine Telefone gab. Er berichtete ihm, dass die Dinge jetzt in eine andere Richtung gingen, es zwar verschiedene Unbekannte gebe, sein Abenteuer aber noch nicht zu Ende sei. Er werde seinen Beruf aufgeben und brauche nicht ins Gefängnis.
    Sergio fragte nicht, ob er nüchtern geblieben war. Was Nate sagte, klang eindrucksvoll und ganz so, als wisse er, was er wollte. Nate gab Sergio die Telefonnummer des Hauses, in dem er wohnen würde, und sie verabredeten, demnächst einmal gemeinsam zum Mittagessen zu gehen.
    Dann rief er seinen ältesten Sohn an, der in Evanston an der Northwestern University studierte, und hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Wo hielt sich ein dreiundzwanzig-jähriger Student an einem Sonntagmorgen um sieben auf? In der Frühmesse bestimmt nicht. Nate wollte es aber gar nicht so genau wissen. Was auch immer sein Sohn gerade tat, er würde sein Leben mit Sicherheit nicht so verpfuschen wie sein Vater. Seine Tochter war einundzwanzig Jahre alt und studierte, wie sie gerade Lust hatte, an der Pitt University. Bei ihrem letzten Gespräch, einen Tag bevor Nate mit einer Flasche Rum und einem Sack voll Tabletten in das bewusste Motelzimmer gezogen war, war es um ihre Studiengebühren gegangen.
    Er konnte ihre Telefonnummer nicht finden.
    Die Mutter seiner älteren Kinder hatte seit der Trennung von Nate zweimal wieder geheiratet. Da er sie nicht außtehen konnte, rief er sie nur an, wenn es gar nicht anders ging. Er nahm sich vor, einige Tage zu warten und sie dann um Kaitlins Telefonnummer zu bitten.
    Er war entschlossen, die beschwerliche Reise nach Oregon im Westen zu unternehmen, um zumindest seine beiden Jüngsten zu besuchen. Auch deren Mutter hatte wieder geheiratet, erstaunlicherweise wieder einen Anwalt, der aber, wie es aussah, ein einwandfreies Leben führte. Nate wollte die Kinder um Verzeihung bitten und versuchen, eine neue Beziehung anzuknüpfen. Er wusste selbst nicht, wie er das bewerkstelligen sollte, nahm sich aber fest vor, den Versuch zu unternehmen.
    In Annapolis hielt er an einer Imbissstube an, um zu frühstücken. Er hörte zu, wie einige Stammgäste in einer Sitznische lautstark die Wetteraussichten kommentierten, und überflog gedankenlos die Washington Post. Weder in den Schlagzeilen noch in den letzten Meldungen der Zeitung fand er etwas, das ihn auch nur im geringsten interessiert hätte. Es ging immer um dasselbe: Unruhen im Nahen Osten, Unruhen in Nordirland; Skandale im Kongress; die Aktienkurse stiegen und fielen; ein Ölteppich bedrohte das Leben im Meer; ein neues Heilmittel gegen Aids; Guerillakrieger brachten Bauern in Lateinamerika um; Chaos in Russland.
    Seine Hose war ihm zu weit geworden, also aß er drei Eier mit Speck und Toast.
    In der Sitznische herrschte vage Übereinstimmung, dass noch mehr Schnee in der Luft lag.
    Er fuhr über die Chesapeake Bay Bridge. Da die Straßen am östlichen Ufer der Bucht nicht gut geräumt waren, geriet der Jaguar zweimal ins Rutschen. Er nahm Gas weg. Der Wagen war ein Jahr alt, und er wusste nicht mehr, wann der Leasingvertrag auslief. Seine Sekretärin hatte allen Papierkram für ihn

Weitere Kostenlose Bücher